Eine weinende Mutter erzählt über den Tod ihres Ehemannes. Eli Thompson war ein US-amerikanischer Fallschirmspringer, er touchierte im berüchtigten Lauterbrunnental eine Felswand und stürzte bei Dreharbeiten für einen Promotionfilm von Red Bull zu Tode. Das ist natürlich tragisch, aber dokumentiert es tatsächlich "die dunkle Seite von Red Bull" wie der Titel einer am Montagabend von der ARD ausgestrahlten Dokumentation versprach?

Red Bull engagiert sich im Extremsport und der ist gefährlich. Die Dokumentation will uns suggerieren, dass dies moralisch verwerflich sei. Aber warum eigentlich? Wir sprechen von mündigen Sportlern, denen Red Bull die Möglichkeit liefert, ihren Traum zu leben. Und davon zu leben. Ein Gegengeschäft, alle Beteiligten sind einverstanden, das Risiko ist kein Geheimnis. Natürlich entsteht dadurch eine Drucksituation: Will man weiter von Red Bull unterstützt werden, muss man spektakuläre Bilder liefern. Aber jeder Sprung, und ist er noch so waghalsig, ist am Ende eine persönliche Entscheidung.

Filmer Helmar Büchel hatte trotz aufwendiger Recherche sichtlich Probleme, Menschen zu finden, die das anders sehen. Eher im Gegenteil, also wurde mit schnellen Schnitten, verwackelter Kamera und Psycho-Thriller-Soundtrack nachgeholfen, um Red Bull die Aura des Bösen zu verleihen. Ein Weltkonzern, der Menschen in den Tod treibt. Selbst nicht von Red Bull gesponserte Basejumper würden sich "auch wegen Red Bull" in die Tiefe werfen. Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Nur eine von vielen nicht zu überprüfenden Behauptungen, die die Dokumentation aufstellt, um ihrem Titel gerecht zu werden.

Wenn der ORF einen Unfall zum dritten Mal in Zeitlupe zeigt, regen wir uns auf. Wenn Videos von schweren Sportunfällen durch das Internet kursieren, sorgt das für Unmut. Und nun soll es Red Bull zum Vorwurf gemacht werden, dass die tödlichen Unfälle der unterstützten Sportler nirgendwo zu sehen wären, dass man diese nicht bildkräftig präsentiert? Eigenartig. Aber wenigstens die ARD-Dokumentation konnte mit der Zeitlupe eines tödlichen Unfalls dienen. Kommentar: "Dieser Unfall hat nichts mit Red Bull zu tun". Danke vielmals.

Fast schon komisch wirkte eine Szene, in der der Film zum Privatanwesen von Red-Bull-Boss Didi Mateschitz führt. Das Auto fährt eine schmale, verschneite Bergstraße hinauf, quasi direkt in die Arme von Dr. No. Man sieht aus der Ferne einen Bauernhof, man erwartet Großes, einen Clash der Titanen. Aber es passiert nichts, rein gar nichts. Nächste Szene.

Hätte man nicht die strapazierten Kniescheiben von Profil-Redakteur Michael Nikbakhsh aufgewärmt, die Suppe wäre nicht einmal dünn gewesen. Und gerade weil die gebrachten Vorwürfe reichlich zusammengeschustert wirken, wundert es, dass man sich bei Red Bull so zugeknöpft gibt, dass niemand vor die TV-Kamera treten will. Firmenpolitik, eh klar. Derart zum System erhobene Intransparenz kommt aber nicht gerade sympathisch. Ein bisschen mehr Mumm könnte in Fuschl am See bestimmt nicht schaden. Die hauseigenen Sportler könnten dabei als Vorbilder dienen. (Philip Bauer; 30.4.2013)