David Petermann, Kreativdirektor bei Wunderman PXP, urteilt im Juni in Cannes über die weltweit besten Digitalkampagnen.

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Grand Prix-Gewinner 2012 bei Cyber: Die schwedische Twitterkampagne (>>> Mehr zur Kampagne)

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2012 holte auch Nike mit Fuelband einen Cyber-Grand Prix (>>> Mehr zur Kampagne)

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"Power out? No Problem". Twittercoup des Keksherstellers Oreo zum Superbowl-Stromausfall.

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Ein Favorit von David Petermann: "Dumb ways to die" von McCann in Melbourne (>>> Mehr zur Kampagne)

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Serviceplan-Kampagne "Troy Davis is alive". (>>> YouTube-Video, >>> troydavisisalive.org)

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Wien/Cannes – David Petermann muss sich Mitte Juni warm anziehen. Gemeinsam mit Digitalexperten aus aller Welt wird der Wiener Kreativdirektor von Wunderman PXP im stark gekühlten Palais des Festivals in Cannes die weltweit besten Arbeiten aus dem Cyber-Bereich küren. Bob Greenberg übernimmt den Vorsitz. Der legendäre Gründer von R/GA wird seine Juroren darauf einschwören, aus tausenden Einreichungen die besten zu finden.

Richtungsweisend

In der Cyber-Kategorie sei die Rolle des Mediums wichtiger als in anderen Bereichen, sagt Petermann. Wie "artgerecht" wird ein Kanal genutzt? Ist hier eine Idee zwingend aus dem Medium entstanden? Wie frisch, wie ungewöhnlich wird ein Tool genutzt? Gibt es eine neue Perspektive, einen ungewöhnlichen Weg, die Botschaft in dem speziellen Medium zu vermitteln? Das sind Fragen, auf die es Petermann ankommt. "In der Cyber-Kategorie werden die Kampagnen gewinnen, die die vorhandenen Medienkanäle und Tools selbstverständlich aber richtungsweisend nutzen und dabei auf Augenhöhe mit ihrer Zielgruppe kommunizieren", sagt er.

Das haben vergangenes Jahr die nicht unumstrittene Twitter-Kampagne aus Schweden und das Nike+ Fuelband für Läufer geschafft, diese Arbeiten holten 2012 den Grand Prix. Petermann: "Beide Kampagnen stehen exemplarisch dafür, eine  oder mehrere Regeln der Digitalkommunikation beherzigt zu haben."

Bei der schwedischen Twitterkampagne war das "Sprich mit der Sprache und auf Augenhöhe deiner Zielgruppe. Nimm sie ernst." Der Kommunikationskanal Twitter sei hier artgerecht genutzt und das Wesen der Kampagne ohne Marketingzensur durchgezogen worden, sagt Petermann. Bei Nike wiederum ging es um den Umgang mit neuen Technologien. Dort lautet die Regel "Schaffe einen Mehrwert und du bindest die Zielgruppe stärker denn je an die Brand."

Petermanns Favoriten

Welche Kampagne sind für ihn dieses Jahr Favoriten? „Oreo spielt auf der Klaviatur der Social-Media-Kanäle ganz große Stücke", schwärmt Petermann. Beim Twittercoup zum Superbowl-Stromausfall habe die Agentur 360i mit einer 15-köpfigen schnellen Eingreiftruppe ganze Arbeit geleistet. Oder: "Die charmante Instagram-Kampagne #creamthis#cookiethis, die mit 20 Künstlern umgesetzt wurde. Machen Sie das mal bei uns." Chancen sieht er auch für "Dumb ways to die" von McCann Australia oder für die Serviceplan-Kampagne "Troy Davis ist alive".

Mobile Zukunft

"Die Zukunft der Kommunikation ist mobil", ortet Petermann als stärksten Trend in der Digitalwerbung. "Dank Smartphones wird es bald keine klassische Trennung zwischen ‚off- und online' mehr geben, Stichwort Personal Advertising". Und noch ein - vor allem für die Agenturen wichtiger Trend: "Das Bewusstsein, dass 'Digital' kein Persilschein für Gratiskampagnen ist, setzt sich allmählich durch."

Kreativität als Störfaktor

Österreichische Agenturen haben in den vergangenen Jahren in Cannes eher mau abgeschnitten. "Der heimische Markt ist klein, die Budgets werden knapper, das Marketing wird immer stärker global gesteuert. Die Zielvorgaben sind hart, die Ängste in den Marketingabteilungen werden größer. In so einer Atmosphäre ist Kreativität in Wirklichkeit ein Störfaktor. Und wenn die dann auch noch Geld oder andere Ressourcen kostet, geht gar nichts mehr", ist ein Erklärungsgrund für Petermann.

Deshalb sei "digital" in den vergangenen Jahren auch ein Synonym für "kreativ ohne Kosten" gewesen. Petermann: "Seit man erkannt hat, dass auch hier kostenverursachende Arbeit dahintersteckt, wird es auch hier nicht leichter. Das Problem ist durchaus auch überall anders zu finden, nur der österreichische Charakter sieht das lieber als ein hausgemachtes".

Aufholbedarf

Was heimische Digitalkampagnen betrifft, sieht Petermann hier im internationalen Vergleich einen großen Aufholbedarf. Das zeigt sich auch an der Anzahl von Einreichungen in Cannes, nur sechs heimische Arbeiten wurden 2012 in das Rennen um die Löwen geschickt.

"Inspiration von vielen guten, vielleicht wegweisenden Arbeiten" will er im Juni aus Cannes mit nach Wien nehmen. Jurytätigkeit sei immer ein guter Gradmesser für die eigene kreative Verortung, sie erweitert den Horizont, besonders in Cannes. (Astrid Ebenführer, derStandard.at, 29.4.2013)