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In Zypern stehen angesichts des von Brüssel diktierten Zwangsbeitrags zur Sanierung des Staatshaushalts so manchem die Haare zu Berge. Statt die Banken zu stürmen, gingen die Menschen in Nikosia auf die Straße, um zu demonstrieren.

Foto: EPA/Christos Theodorides

Tag der Reinigung" ist, Beginn der Fastenzeit. Der orthodoxe Kirchenkalender auf Zypern hätte es an diesem Montag nicht besser treffen können: Noch sind die Banken geschlossen, die Bürger der kleinen Inselrepublik geschockt vom Beschluss der Teilenteignung, den die Euro-Finanzminister in der Nacht zum Samstag gefasst haben. "Wir sind auf ganzer Linie von den Deutschen hereingelegt worden", stellt ein Journalist einer zyprischen Zeitung fest, der das Sparprogramm zur Sanierung der Staatsfinanzen unterstützt hatte. "Auch ich zahle jetzt mit meinen Ersparnissen."

Schwere Prüfung

Nicos Anastasiades, kaum zwei Wochen im Amt, muss die schwerste Prüfung der Insel seit der türkischen Invasion und der Teilung 1974 verantworten. Am Sonntag hätte der Staatschef vor das Parlament treten sollen, die neuen Bedingungen für den Rettungskredit der Troika aus EU, Währungsfonds und EZB erläutern, die Abstimmung durchpeitschen und eine Ansprache an die 800.000 Bürger im griechischen Süden halten sollen. Aber niemand war bereit, diese Entscheidung über den Tabubruch im vierten Jahr der Euro-Schuldenkrise zu treffen. Warum die Zyprer anders als die tief verschuldeten Griechen, Iren, Spanier, Portugiesen und Italiener nun mit ihren Bankguthaben für die Rettung zahlen sollen, fällt der Regierung schwer zu erklären.

Schnell machten die Zyprer am Samstag ihrer Wut und Empörung Luft und zogen vor den Regierungssitz in Nikosia, um gegen den Beschluss der Euro-Finanzminister zu protestieren. Sie stürmten die Geldautomaten. Die funktionierten noch - sofern noch Bargeld in den Kassen war.

Schwierige Alternative

"Die Lösung, die gewählt wurde, mag schmerzvoll sein, aber es war die einzige, die uns erlaubt, unser Leben ohne Abenteuer fortzusetzen", erklärte der zyprische Präsident. Er sei in der Nacht auf Samstag vor vollendete Tatsachen gestellt worden, sagte Anastasiades. Entweder Zypern akzeptiert die Teilenteignung mit Abgaben von 6,75 (bis 100.000 Euro) bis 9,9 Prozent der Einlagen, oder die EZB schneidet die größten zyprischen Banken - Bank of Cyprus und Popular - von der Kreditlinie ab, was ihren Bankrott noch diese Woche bedeuten würde und den Kollaps des Staats.

Eine viel schwierigere Alternative, meinte Finanzminister Michalis Sarris, der darauf hinwies, dass manche in der Eurogruppe einen noch stärkeren "Haircut" wollten. Zweimal drohte Anastasiades, die Sitzung in Brüssel zu verlassen. 5,8 Milliarden Euro soll die private Zwangsbeteiligung bringen. Dazu setzten Euro-Finanzminister und IWF eine Erhöhung der für Zypern so vorteilhaften Unternehmenssteuer von zehn auf 12,5 Prozent durch.

Wenn die Banken nun am Dienstag öffnen, soll politisch alles entschieden sein: Das Parlament muss am heutigen Montag per Gesetz die Teilenteignung der Kontenbesitzer erlassen. Ob die Stimmen dafür reichen, war noch offen. Anastasiades' Partei, die konservative Demokratische Sammlung (Disy), hat zusammen mit dem liberalen Koalitionspartner Diko theoretisch 29 der 56 Sitze im Parlament in Nikosia. Die bis März regierende linke Akel-Partei und die Sozialdemokraten der Edek erklärten schon am Samstag, nach der Rückkehr des Präsidenten aus Brüssel und einem Treffen mit den Parteien, dass sie die Kreditbedingungen ablehnen. "Kolonial" nannte Akel-Chef Andros Kyprianou das Diktat aus Brüssel.

Angst vor Bankensturm

Aus Angst vor einem Bankensturm der Massen prüft die Regierung die Möglichkeit, die Banken der Insel auch am Dienstag geschlossen zu halten, berichtete der zyprische Staatsfunk. Am Montag sind sie wegen eines Feiertags ohnehin geschlossen.

Seit Monaten hatten vor allem deutsche Politiker Kampagne gegen zyprische Banken und die Regierung in Nikosia gemacht. Europäische Diplomaten versicherten hinter vorgehaltener Hand, die Debatte um russische Steuerhinterzieher, die mutmaßlich einen Teil ihres Kapitals auf den Banken der Insel parken, gehe am Punkt vorbei. Nicht russische Kontenbesitzer hätten schließlich die Finanzkrise auf Zypern ausgelöst, sondern die leichtfertige Kreditpolitik der zyprischen Banker und ihre Fehlinvestitionen in griechische Staatsanleihen, die mit dem "Haircut" vor einem Jahr zu massiven Verlusten führten. (Markus Bernath, DER STANDARD, 18.3.2013)