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Pawel Dmitritschenko hat am Bolschoi-Theater in der Rolle von Iwan dem Schrecklichen brilliert. Doch seine Karriere dürfte nach dem Geständnis, den Anschlag auf den Ballettmeister in Auftrag gegeben zu haben, beendet sein.

foto: ap/Alexander Zemlianichenko

Dahinter steckt eine Intrige um Liebe und verletzte Eitelkeiten.

Kabale und Liebe stehen in der aktuellen Saison eigentlich nicht auf dem Spielplan am Bolschoi-Theater. Und doch offenbart der Anschlag auf den Intendanten, dass es an Russlands bekanntestem Ballett-Theater nicht weniger intrigant zugeht als an deutschen Fürstenhöfen zu Schillers Zeiten.

Mitte Jänner war der Intendant des Hauses, Sergej Filin, von Unbekannten auf einem Parkplatz angesprochen worden. Als er sich umdrehte, schüttete ihm einer der Angreifer Schwefelsäure ins Gesicht. Filin erlitt schwere Verletzungen, musste mehrfach operiert und inzwischen zur Nachbehandlung nach Deutschland geflogen werden. Zwischenzeitlich drohte ihm sogar der Verlust des Augenlichtes.

Als mutmaßlicher Auftraggeber wurde Pawel Dmitritschenko, ein bekannter Solist des Bolschoi-Theaters, festgenommen. Zuletzt tanzte er die Hauptrolle im Stück Iwan der Schreckliche. Dmitritschenko soll bereits ein Geständnis abgelegt haben, wobei er erklärte, er habe die Tat "nicht in dem Ausmaß, wie sie stattgefunden hat" in Auftrag gegeben.

Für die Ausführung soll ein vorbestrafter Bekannter des Tänzers verantwortlich sein, der sich inzwischen ebenso in Haft befindet wie noch ein weiterer mutmaßlicher Mittäter, der als Chauffeur fungiert haben soll.

Streit um eine Frau

Da Dmitritschenko selbst gute Rollen hatte, vermuten die Ermittler als Auslöser des Konflikts eine Frau. Der Startänzer war mit der jungen talentierten Ballerina Angelina Woronzowa liiert, die jedoch unter dem Intendanten Filin mehrfach zurückgesetzt wurde.

Dabei hatte sie Filin 2008 noch selbst an das Stanislawski-Theater, das er damals leitete, holen wollen. Sie lehnte zugunsten des Bolschoi ab, wurde aber hier von Filin wieder eingeholt. Nach seiner Ernennung zum Intendanten soll er sie aufgefordert haben, die Zusammenarbeit mit ihrem Tanzlehrer Nikolai Ziskaridse zu beenden. Als Köder habe Filin ihr die Hauptrolle in Schwanensee angeboten, berichten russische Medien. Weil sie sich weigerte, berücksichtigte Filin sie allerdings nicht mehr für Hauptrollen.

Den Anschlag habe Dmitritschenko als Rache für die Demütigungen seiner Gefährtin in Auftrag gegeben, so die Version der Ermittler. Ob dies die ganze Wahrheit ist, wird allerdings von Kennern der Szene bezweifelt.

Filin hatte als Intendant am Bolschoi viele Feinde. Schon seiner Ernennung 2011 war ein "Porno-Skandal" vorausgegangen. Einer der Bewerber, Gennadi Janin, musste kündigen, nachdem Unbekannte hunderte Nacktfotos von ihm ins Netz gestellt hatten. Auch gegen Filin wurden dutzende Intrigen im Theater gesponnen, sei es um die Intendantenstelle selbst oder die Rollenverteilung bei den Stücken.

Als wichtigster Gegenspieler Filins gilt jedoch Nikolai Ziskaridse, ein begnadeter Solotänzer mit guten Beziehungen in die Politik, der selbst Ambitionen auf den Posten des Ballettmeisters am Bolschoi- Theater hegen soll. Ziskaridse wurde von verschiedenen Medien mit dem Anschlag in Verbindung gebracht - und sei es nur als Einflüsterer, wobei die Gerüchte offenbar von der Theaterleitung geschürt wurden. Ziskaridse selbst bestreitet jede Beteiligung an dem Anschlag und warf der Theaterführung vor, den Angriff inszeniert zu haben, um ihn loszuwerden. (André Ballin, DER STANDARD, 7.3.2013)