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Antwort auf die Sinnfrage: Ivan Martin Jirous (re.) und Václav Havel im März 2007. Jirous starb im November 2011, Havel fünf Wochen später.

foto: REUTERS/Ondrej Nemec

Wien - Wie wandlungsfähig der böhmische Genius ist, muss Lesern von Has ek, Kafka, Capek, Skvorecký, Hrabal, Kundera und so weiter nicht näher erläutert werden. Aber selbst unter den Eingeweihten kennen nicht sehr viele Magor. Magor, "der Spinner", mit bürgerlichem Namen Ivan Martin Jirous, war eine der führenden Figuren der tschechoslowakischen Undergroundszene nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968: Literat, Kunsthistoriker, Manager und künstlerischer Leiter der legendären Underground-Band The Plastic People of the Universe (deren Verhaftung zur Gründung der "Charta 77" führte), während der " Normalisierung" insgesamt achteinhalb Jahre in Haft.

Jetzt ist auf Deutsch ein Buch erschienen, das den Menschen Jirous und sein Werk inhaltlich wie formal angemessen würdigt.* Herausgegeben haben es die Gründer des Wiener Instituts für kulturresistente Güter, die Fotografin und Projektmanagerin Barbara Zeidler und Abbé Libansky, gebürtiger Tscheche und bildender Künstler. "Kulturresistent" verstehen sie "als eine durchaus ironische Anspielung auf die zwiespältige Stellung der Kultur im Alltagsleben".

Das könnte auch direkt auf Jirous und seine Rolle im Alltag des Widerstandes von 1968 bis zur Wende 1989 gemünzt sein. Widerstand gegen das totalitäre System, das er als gläubiger Mensch mit dem Teufel gleichsetzte, war für ihn normal. Seine Mittel waren die Musik und die Literatur.

Verse im winzigen Knäuel

Der böhmische Genius half auch dabei, den Teufel im Alltag der Repression auszutricksen. Seinen bekanntesten Gedichtband Magors Schwanengesang schrieb Jirous in der Haft - auf Zigarettenpapier. Zu einem winzigen Knäuel zusammengepresst, erreichten die Verse über einen Zungenkuss eines Mitgefangenen an eine Besucherin die Freiheit.

Dabei fragte sich Jirous immer wieder, ob sein Tun überhaupt sinnvoll sei - "aber ich bin zu dem Schluss gelangt, dass dies eine falsch gestellte Frage ist". Bei seinem Freund Václav Havel, dem prominentesten tschechischen Dissidenten und späteren Staatspräsidenten, hörte sich das so an: "Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht." (jk, Crossover, DER STANDARD, 5.3.2013)