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Zutaten einer Pizza sind weit gereist. Hersteller sehen sich schwer in der Lage, alle Ursprungsländer auf der Verpackung auszuweisen. Die Grünen raten im Zweifelsfall zur Angabe: "unbekannte Herkunft".

Foto: APA/dpa/Bernd Thissen

Wien - Nina Wojnar füttert ihre Datenbank alle zwei Wochen mit Infos über den Ursprung verarbeiteter Lebensmittel. Ihre Herkunft sei genau dokumentiert. Diese jedoch auf der kleinen Verpackung auszuweisen, sei bei oft 30 Zutaten je Aufstrich schwer möglich. Es erfordere dazu wohl einen eigenen Beipackzettel, sinniert Wojnar, die den gleichnamigen Delikatessenbetrieb mit ihren Schwestern führt. Abgesehen davon, dass sich Lieferanten saisonal änderten, die Verpackung aber sechs Monate vorab gekauft werde.

Auch bei Pizza mit 15 Zutaten sei die genaue Herkunftsausschilderung kaum umsetzbar, sagt Hans Raunig, Chef von Dr. Oetker in Österreich. Zudem kenne sich der Konsument vor lauter Gütesiegeln bereits jetzt nicht aus. Es brauche angesichts falsch deklarierten Pferdefleisches weder ein weiteres Pickerl noch neue Gesetze: Nötig sei vielmehr bessere Kontrolle.

Der von VP-Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich geforderte Reisepass für Lebensmittel löst in der Branche Kopfschütteln aus. Der Verwaltungsaufwand dafür könne den Wert des erzeugten Produktes übersteigen, warnt Michael Blass, jahrelanger Vorsteher des Lebensmittelindustrie-Verbands und nunmehr AMA-Chef. Der freie Warenverkehr in der EU sei nicht einschränkbar - es sei nicht zu erwarten, dass der Handelsweg für Lebensmittel kürzer werde. Auch die Quadratur des Kreises, hohe Qualität und absolute Transparenz zum niedrigsten Preis, werde nicht gelingen.

"Hyperbürokratisch"

Auch Wolfgang Pirklhuber von den Grünen hält vom angepriesenen Reisepass nichts. "Als Dokumentationssystem für Industrieware hyperbürokratisch, für Konsumenten uninteressant." Er verlangt stattdessen einmal mehr ein Gütesiegel-Gesetz, das regle, welche Bezeichnungen zulässig seien. "Die rot-weiß-rote Fahne steht mir bis obenhin." Denn sie sage nichts über die Fleischherkunft aus. Österreich importiere so jährlich 500.000 Lebendschweine und mehr als 100.000 Rinder aus Osteuropa, um sie verarbeitet als österreichische Ware auf den Markt zu bringen. Eine Ausschilderung wertbestimmender Zutaten sei auf Etiketten unumgänglich - realistischer als der Reisepass sei es aber, dabei auch die Angabe "aus unbekannter Herkunft" zuzulassen.

Bei Rinderfrischfleisch ist die Herkunft bereits verpflichtend zu deklarieren. Ab 2014 gilt das auch für Schwein, Schaf und Ziege. In der verarbeiteten Form wird in der EU noch um Lösungen gerungen. Entsprechende Berichte ihrer Mitglieder müssen bis Dezember vorliegen. Staaten mit Exportfokus und Überproduktion wehren sich.

Wütend machen Skandale wie der jüngste auch Hans Schlederer, Chef der Schweinebörse. Wer nun auf neue Gesetze dränge, lenke von den eigentlichen Schwächen ab, meint er. Betrüger ließen sich auch mit bestehenden Systemen zur Strecke bringen. Das Problem sei die " schlafende und unprofessionell aufgestellte Lebensmittelüberwachungsbehörde. Mit fein Schneiden, fein Untermischen und gut Würzen lässt sich fast alles in Wurst verwerten." Es brauche erst Krisen im Ausland, damit auch in Österreich etwas gefunden werde, resümiert Schlederer. Bei einer "Polizei, die hinterherläuft", müsse man die Frage ihrer Existenzberechtigung stellen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 26.2.2013)