Menschen, die auf Displays starren.

Foto: Sophie Schmidt

Eric Schmidt, seines Zeichens Google-Vorstand, hat rund eine Woche nach seiner Rückkehr ein paar Notizen zu seiner viel diskutierten und umstrittenen Reise nach Nordkorea auf Google+ veröffentlicht. Dabei waren durchaus wissenswerte Details zum hermetisch abgeriegelten und kommunistisch regierten Nachbarn des Technologielandes Südkorea zu erfahren. Auch seine Tochter Sophie hat, in etwas persönlicherer Form, ihre Eindrücke ins Netz gestellt.

3G-Netz vorhanden, aber kein Internetzugang

Der Zugang der Bevölkerung Nordkoreas zu Kommunikationsinfrastruktur ist bekanntermaßen beschränkt, was aber nicht rein an mangelnder Technik-Ausstattung liegen soll. "Es gibt ein 3G-Netz, das auf der 2.100 MHz-Frequenz operiert", schreibt Schmidt. Gebaut wurde es in Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Unternehmen Orascom. Es wird jedoch nur für den Versand von Textnachrichten verwendet, die Nutzung von Internet und Smartphones ist nicht möglich.

Diese Restriktionen könnte das Regime aber leicht aufheben - wenn es wollte. Im Land, das nach UN-Zahlen von 2008 rund 24 Millionen Einwohner beherbergt, sind geschätzt 1,5 Millionen Mobiltelefone im Umlauf. Zukünftig sollen es, so die Pläne, mehr werden.

Internetzugang ist möglich, jedoch nur unter sehr kontrollierten Bedingungen. Zugang haben Regierungsinstutitionen, das Militär und Universitäten. Normalbürger werden stets beobachtet, wenn sie etwa im Computerraum einer Universität auf das Web zugreifen.

"Die Regierung muss das Internet öffnen"

Schmidts Delegation erhielt eine Vorführung aktueller Technologie des Landes. Die in Nordkorea entwickelte Software basiert auf Open Source-Plattformen, hauptsächlich Linux.

Nach Angaben von Schmidt diente der private Besuch, um für eine Öffnung des Internetzugangs für alle zu werben. "Während die Welt sich immer mehr vernetzt, wird sich die Entscheidung Nordkoreas, praktisch isoliert zu sein, immer stärker auf ihre physische Welt und ihr Wirtschaftswachstum auswirken. Es wird schwerer für sie werden, wirtschaftlich aufzuholen", schildert der Manager.

"Wir haben die Alternative sehr, sehr klar gemacht. Erlaubt man einmal das Internet in irgendeinem Land, bauen die Bürger etwas darauf auf", meint er. "Doch die Regierung muss zuerst eines tun, nämlich das Internet für sie zu öffnen."

"Es kann kaum seltsamer werden"

Persönlicher hält es seine Tochter. "Es kann kaum seltsamer werden" heißt ihr Reisebericht, in dem sie ihre eigenen Ansichten zu dem Trip in die Volksrepublik. Ihr Tipps an die Leser: "1. Fahrt nach Nordkorea, wenn ihr könnt. Es ist sehr, sehr seltsam. 2. Wenn es Januar ist, ignoriert diesen Hinweis. Es ist sehr, sehr kalt. 3. Nichs, was ich davor über das Land gelesen oder gehört habe, hat mich wirklich darauf vorbereitet, was ich erlebt habe."

So waren offenbar keine der zahlreichen Räume, in denen Offizielle diverse Einrichtungen und Errungenschaften präsentierten, beheizt. "Während sie uns stolz ihre neusten Technologien und besten Bibliotheken zeigten, konnten wir unseren Atem sehen. Ein Hinweis darauf, wie wenig die Dinge eigentlich unter ihrer Kontrolle sind."

Bei der Einreise musste man laut Zollformular alle "Tötungsgeräte" und "Veröffentlichungen aller Art" zu Hause lassen. Bezahlen konnten die Besucher nur in Dollar-Bargeld. Immerhin, ihre Kameras ließ man unangetastet, nur selten wurde ein Fotografieverbot ausgesprochen und es gab auch keine Durchsuchungen der Aufnahmegeräte.

Menschen, die auf Displays starren

Bizarr verlief die Präsentation der "E-Bibliothek" in der Kim-Il-Sung-Universität. Zwar saßen 90 Nordkoreaner in dem Raum vor Computerbildschirmen, doch "niemand hat irgendwas gemacht. Ein paar haben herumgeklickt oder gescrollt, die anderen haben einfach nur auf den Bildschirm gestarrt." Ein "Potemkinsches Dorf", so Schmidt weiter.

"Nordkoreaner", so Sophie Schmidt, "leben in einer absoluten Informationsblase, ohne irgendeiner Referenzmöglichkeit. Sie sind Geiseln in ihrem eigenen Land, ohne es wirklich zu wissen." Sie beschreibt Nordkorea analog zum bekannten Kinofilm als "Truman Show in der Größe eines Landes."

Produkte ohne Markt

Man zeigte auch Tablet-PCs, die mit einer nicht näher bekannten Linux-Distribution liefen, dabei könnte es sich um "Achim" gehandelt haben. Sophie Schmidt merkt dazu an, dass sich kein normaler Bürger ein solches Gerät leisten könnte und auch ein Export unwahrscheinlich ist. Trotzdem wird es in Massenfertigung hergestellt. "Sie bauen Produkte für einen Markt, der nicht existiert", wundert sich die Tochter des Google-Chairmans.

Erstaunen löste auch die winterliche Dekoration aus. "Für ein Land, das Religion verboten und tausende Christen in Arbeitslager gesteckt hat, waren die Weihnachsbäume irgendwie unpassend."

Luxus-Gaststätte und drei Fernsehsender

Die Schmidts residierten in einem luxuriösen Gästehaus, eingerichtet im nationalen Chic der 1970er-Jahre. Am Fernseher waren drei Kanäle empfangbar: CNN International, ein Sender voller Filme aus der UdSSR mit koreanischem Voice-Over und der staatliche Sender des Regimes, laut Sophie Schmidt der unterhaltsamste von allen. "Mein Toleranzlevel für Videos von Kim Jong Un in Menschenmassen ist erstaunlich hoch."

Fotos des Trips finden sich in einem Webalbum auf Picasa. (red, derStandard.at, 21.01.2013)