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Der Bürgermeister von Bugarach, Jean-Pierre Delord, und jener Berg, von dem aus vor dem Weltuntergang ein Raumschiff starten soll.

Foto: AFP/PASCAL PAVANI

Über eines herrscht im "Relais de Bugarach" Einigkeit: Im Berg rumort es. "Es hört sich an, als würden tief unten dicke Steintüren auf und zu gemacht", meint Tiphanie, eine Schweizer Fotostudentin mit einem schwarzen Kreis auf der Stirn. Patrice, Besitzer eines Bio- und Esoterik-Ladens, fühlt sich angesichts der Vibrationen, als stehe er auf der aktiven Membran eines Lautsprechers. "Genau, das ist es", bestätigt David, Archäologe und Ufologe in einem.

Im "Relais" wird bis spät in den Abend diskutiert. "Mit diesem Berg ist etwas los, das ist klar, und ich wünschte mir, es kämen einmal ein paar Forscher vorbei, um das abzuklären", meint Patrice.

Beim Verlassen des Ladens erhebt sich die schwarze, 1230 Meter hohe Silhouette des Pic de Bugarach, des Bugarach-Felsens, fast drohend über dem Dorf. Die Natur ist hier besonders intensiv; ihre mystische Schönheit zieht seit langem Hippies und Esoteriker an. Vor einer der vielen Kalksteingrotten des Felsens nahm ein gewisser Jean de Rignies schon vor zwanzig Jahren auffällige rhythmische Geräusche auf sein Tonband auf - und er deutete sie zweifelsfrei als Widerhall einer " extraterrestrischen Landestation", profaner gesagt, eines Ufo-Flughafens.

Letzte Zuflucht vor der Apokalypse

Damit kam der Stein ins Rollen. Eine spätere Untersuchung ergab zwar, dass die Geräusche vom Motor des Tonbandgerätes stammen. Doch das war sekundär: Über Internet erschienen zunehmend Meldungen, am 21. Dezember 2012, wenn laut Maya-Kalender die Welt untergehe, warte im Pic de Bugarach ein Raumschiff mit bis zu 80.000 Sitzplätzen, um Überlebenswillige zu retten.

Bugarach, dieser abgelegene Winkel, machte plötzlich Schlagzeilen als letzte Zuflucht vor der Apokalypse. Gurus, Seher und keltische Schamanen organisierten "Initiationsreisen" auf den Pic, das Wochenende etwa für 617 Euro. "Ab 2010 explodierten auch die Bodenpreise im Ort", erinnert sich der zum Immobilienagenten mutierte Landwirt Bernard Cervières. "Ich empfing Kunden, die barfuß kamen und Bäume umarmten."

Der Bürgermeister von Bugarach, Jean-Pierre Delord, zeigt Briefe aus aller Welt vor. Ein "Außerirdischer des Siegels von Sirius I." schrieb ihm, dass sich der Name Bugarach aus "Bu" und "Garage" zusammensetze, weshalb er am 21. Dezember mit seinem eigenen Raumschiff aus dem Bermudadreieck anreisen werde. Ein anderer Briefschreiber kündigte an, er werde "nach Bugarach kommen, um im Wald ein Menschenopfer zu erbringen."

New-Age-Lourdes

Der bodenständige Gemeindevorsteher findet das nur noch begrenzt amüsant. Anfangs hatte er noch von einem "Lourdes des New Age" geträumt. Im Frühling wurde aber außerhalb von Bugarach die Leiche eines offenbar okkultistischen Obdachlosen gefunden.

Seither begrüßt Delord die drastischen Behördenmaßnahmen gegen den erwarteten Massenauflauf am 21. Dezember: Die Präfektur des Departementes will 500 Soldaten und Polizisten nach Bugarach schicken, um den Pic de Bugarach zu sperren. Die Armee soll verhindern, dass sich suizidgefährdete Apokalyptiker vom Felsen stürzen, wenn sie merken, dass kein Raumschiff abhebt.

Erleuchtete verschwunden

Gesperrt wird Ende Dezember auch der beliebte Nordaufstieg, in einschlägigen Kreisen "Druidenweg" genannt. "Bis vor kurzem traf man hier 'Erleuchtete' mit Pendel, Kristallen und Amuletten", meint Grégoire, ein Bergsteiger aus der Gegend, der regelmäßig auf den Pic wandert, aber noch nie irgendwelche Vibrationen spürte. "Seitdem die Armee einen Einsatz plant, sind diese Wirrköpfe aber wie verschwunden."

An den bröckelnden Hausfassaden des 200-Einwohner-Dorfes hängen noch viele Tafeln mit der Aufschrift "à vendre" - "zu verkaufen". Immobilienagent Cervières meint aber, dass kaum jemand die hohen Preise bezahle. Im "Relais" verdächtigt man den Bürgermeister, er habe den ganzen Weltuntergangsrummel mit handfesten Motiven inszeniert. "Entweder wollte er damit von seinem übertriebenen Windkraft-Projekt mit 150 Meter hohen Propellern ablenken", meint Patrice Etienne, "oder er möchte seinem eigenen Hotelprojekt Kunden zuführen".

Vorläufig ist Bugarach keineswegs überschwemmt von Rettungssuchenden. Der Armeeeinsatz und die Debatten um die Auslegung des Maya-Kalenders spielen wohl mit. Aber Bürgermeister Delord denkt schon über den ominösen Tag hinaus: Er will in Zukunft, wie er sagt, "ein jährliches Festival der Utopie oder so etwas ähnliches" in Bugarach organisieren. Aber zuerst wird er einmal den 21. Dezember abwarten. (Stefan Brändle aus Bugarach, DER STANDARD, 7./8./9.12.2012)