Minister Mitterlehner kann der ganztägigen Schule einiges abgewinnen: Wenn die Ganztagsbetreuung für die Kleinsten ausgebaut werde, müsse dies auch für Schüler gelten.

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Wien - Die SPÖ ist mit ihrer Forderung, mehr Geld in den Ausbau ganztägiger Schulplätze zu investieren, beim Koalitionspartner abgeblitzt. Die ÖVP legte sich bei der Regierungsklausur in Laxenburg am Freitag quer. Für Parteichef Michael Spindelegger sind nämlich noch zu viele Details offen - vor allem "die finanzielle Frage". Das Thema wurde auf eine weitere Klausur im März verschoben.

Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) ist sich aber sicher: "Wir bringen das durch bis März." Und es gibt auch wohlwollende Signale aus der ÖVP: "Wenn wir Ganztageskindergärten ausweiten, damit Familie und Beruf vereinbar sind, dann werden wir auch ein ausreichendes Angebot für Schüler brauchen", sagt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner im STANDARD-Interview (siehe unten). Es werde "daher eine Gesamtlösung geben".

Geeinigt hat sich die Regierung in der Debatte um Studienge bühren. Die reparierte Regelung bringt den Unis zusätzlich fünf Millionen Euro jährlich. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle gibt im STANDARD-Interview zu: "Ich habe mich mit meinem Vorschlag offensichtlich nicht durchsetzen können. Deswegen musste ich einem Kompromiss zustimmen." Da es nur in fünf Fächern Zugangsregeln gibt, fürchtet Heinrich Schmidinger, Präsident der Universitätenkonferenz, "Verlagerungseffekte" der Studentenströme in verwandte Studien.

Der VSStÖ ist über die SPÖ empört: "Schönreden hilft nichts!" Das sei ein "weiterer Erfolg für die Salamitaktik der ÖVP zur Einführung von flächendeckenden Beschränkungen". 

STANDARD: Auf die Wirtschaft wartet ein mageres Jahr. Eine Prognose bitte: Wird das neue Reformpaket das Wachstum um irgendeinen Zehntelprozentpunkt heben?

Mitterlehner: Das Paket wird eine positivere Stimmung bei potenziellen Jungunternehmern erwecken, weil die Bedingungen erleichtert werden. Ich rechne deshalb mit mehr Investitionsbereitschaft und etwa um 20 Prozent mehr Unternehmensgründungen binnen zwei, drei Jahren.

STANDARD: Es gibt Experten, die halten die erhoffte Gründerwelle für eine Illusion, weil sich die neue GmbH light für die jungen Ein-Personen-Dienstleister nicht eigne.

Mitterlehner: Glaube ich nicht. Viele Jungunternehmer werden GmbHs gründen, weil sie damit eher zu Risikokapital kommen.

STANDARD: Ist ein Unternehmen, das zum Start nicht einmal 35.000 Euro aufbringt, nicht von vornherein ein Wackelkandidat?

Mitterlehner: Nein. Jungunternehmer haben oft gute Ideen, bei denen sich erst nach ein paar Jahren zeigt, ob die Pläne aufgehen. Da sollte man einem Start keine Hürden in den Weg stellen.

STANDARD: Bleibt das nicht vergebliche Mühe, solange kaum Risikokapital und Kredite erhältlich sind?

Mitterlehner: Die GmbH erleichtert Jungunternehmern ja gerade den Zugang. Und wir haben deshalb auch zwei neue Jungunternehmerfonds aufgelegt, die mit 110 Millionen Euro dotiert sind.

STANDARD: Künftig gibt's auch für Selbstständige Krankengeld - aber erst nach sechs Wochen. Das klingt nach totem Recht. Kein Einzelunternehmer kann es sich leisten, so lange auszufallen.

Mitterlehner: Das ist eine Gleichstellung mit den Unselbstständigen. Für chronisch kranke Unternehmer ist das eine echte Hilfe.

STANDARD: Neu ist auch die Bildungsteilzeit. Unternehmen könnten damit bei Auftragsschwankungen Beschäftigte auf Kosten der Allgemeinheit abschieben.

Mitterlehner: Auf den Verdacht sind wir auch gekommen. Deshalb darf nur ein Teil einer Belegschaft in die Teilzeit. Das soll keine Hintertür sein, Leute quasi in Kurzarbeit zu schicken.

STANDARD: Die Reform der Invaliditätspension hat ein entscheidendes Manko: Es gibt keine Pönalen für Unternehmen, die ältere Kräfte hinausdrängen. Warum?

Mitterlehner: Weil Unternehmen taktisch reagieren könnten, indem sie gleich gar keine älteren Arbeitnehmer mehr einstellen.

STANDARD: Sie wollen als Minister ja nie nur ein Lobbyist der Wirtschaft sein - punkto Pensionen sind Sie's aber doch!

Mitterlehner: Ich bin ein Lobbyist der Vernunft. Der Schlüssel liegt nicht beim Bonus-Malus-System, sondern bei der möglichst frühen Rehabilitation angeschlagener Mitarbeiter. Lassen wir das Paket einmal wirken. Danach kann man über Adaptierungen reden.

STANDARD: Die Wirtschaft beklagt gerne Bildungsdefizite. Warum bremst die ÖVP dann den Ausbau der Ganztagsschule?

Mitterlehner: Darüber wird noch in der Regierung verhandelt, dem will ich nicht vorgreifen. Klar ist: Wenn wir Ganztagskindergärten ausweiten, damit Familie und Beruf vereinbar sind, dann werden wir auch ein ausreichendes Angebot für Schüler brauchen. Es wird daher eine Gesamtlösung geben.

STANDARD: Man könnte das Geld verwenden, das bei der Familienförderung übriggeblieben ist.

Mitterlehner: Das soll für die Kinderbetreuung bleiben - indem die steuerliche Absetzbarkeit für ältere Kinder und die Freibeträge ausgebaut werden.

STANDARD: Die sind doch ungerecht, weil sie schlecht verdienenden Eltern nicht zugute kommen.

Mitterlehner: Das ist nicht ungerecht. Der Verfassungsgerichtshof weist darauf hin, dass ein Teil der Ausgaben für Kinder steuerlich berücksichtigt werden muss.

STANDARD: Dafür muss man Freibeträge nicht noch ausbauen.

Mitterlehner: Doch. Die steuerliche Berücksichtigung findet derzeit nicht ausreichend statt.

STANDARD: Sie widersprechen damit aber Ihrem eigenen Motto "Jedes Kind ist gleicht viel wert".

Mitterlehner: Das Motto stimmt, wenn es um die Beihilfen geht. Steuerlich wird die unterschiedliche Belastung ausgeglichen: Wer viel Steuern zahlt, leistet ja auch mehr für die Allgemeinheit. (Gerald John, DER STANDARD, 10.11.2012)