Der dritte Zwischenbericht der sogenannten Helige-Kommission ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert - und er ist empörend: Die Kommissionsmitglieder wissen jetzt, dass sich die sexuelle Gewalt im städtischen Kinderheim am Wilhelminenberg ab Mitte der 1960er-Jahre hauptsächlich gegen Kinder unter zehn Jahren richtete. Und: Es besteht weiter der Verdacht des vielfachen, organisierten sexuellen Missbrauchs von Heimkindern.

Das bedeutet Unfassbares: Möglicherweise haben damals Sozial- und Jugendbetreuer unter dem Schutzmantel der mächtigen Stadt Wien nicht nur systematisch Kinder gequält, gedemütigt, missbraucht und seelisch gebrochen, sondern sie auch noch an Freier verschachert.

Umso unverständlicher ist, dass die Kommission sich darüber zu beklagen hat, dass noch immer nicht geklärt sei, ob sie alle angeforderten Akten von der Stadt auch bekommt - und bezweifelt, dass diese, wenn sie sie bekommt, vollständig sind. Das ist skandalös und das Gegenteil jener Transparenz, die der zuständige Stadtrat Christian Oxonitsch mit der Einrichtung der Kommission Wilhelminenberg eigentlich beweisen wollte.

Im Sinne der Opfer, die viel zu lange ignoriert wurden, aber auch im Sinne der eigenen politischen Glaubwürdigkeit sollte die Stadtregierung diesen Konflikt so rasch wie möglich bereinigen. Im Sinne der Kommission. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 9.11.2012)