Berlin - Zu wenig Selen im Körper mindert möglicherweise die Überlebenschancen von Krebspatienten. Diesen Schluss ziehen Forscher der Charité Universitätsmedizin Berlin durch eine Studie über Patienten mit Nierentumor. Nun wollen sie untersuchen, ob Krebspatienten von einer zusätzlichen Selen-Einnahme profitieren.

Selen ist ein lebenswichtiges Spurenelement und spielt bei verschiedenen Stoffwechselvorgängen eine wichtige Rolle. Natürliches Selen kommt allerdings in Mitteleuropas Böden kaum vor. Viele Menschen decken daher ihren täglichen Selenbedarf über die Ernährung ab. Selen kommt vor allem in tierischen Nahrungsmitteln vor, indem es bei der Zucht aktiv dem Futter zugesetzt wird. Hierzu zählen Fleisch und Fisch, Milch oder Eier. Ist die Ernährung jedoch zu einseitig oder liegt eine andere Erkrankung vor, die den Selenstoffwechsel stört, so kann es zu einem Selenmangel kommen. Zu wenig Selen gilt als Risikofaktor für bestimmte Krankheiten, wie Krebs, Autoimmunerkrankungen oder Infektionen.

Wirkung noch nicht ausreichend erforscht

Die Wissenschaftler um Lutz Schomburg von der Charité -Universitätsmedizin Berlin haben den Selenstatus von Nierenkrebspatienten analysiert und einen Zusammenhang zwischen Selenmangel und der Schwere der Tumorerkrankung gefunden. "Patienten mit Nierenzellkarzinom wiesen ein deutliches Selendefizit auf", erläutert Schomburg. "Noch ist unklar, ob der geringe Selenwert im Körper der Tumorpatienten auf die Erkrankung selbst zurückzuführen ist oder ein generelles Krebsrisiko darstellt. Möglicherweise ist es eine Kombination von beiden Faktoren", ergänzt der Mediziner.

Die Forscher stellten außerdem fest: Je schwerer der Selenmangel bei der Diagnose ausgeprägt war, desto geringer waren die Überlebenschancen von Patienten mit einem Nierenzellkarzinom im Laufe der nächsten fünf Jahre. "Aufgrund dieser Ergebnisse stellt sich die Frage, ob diesen Patienten die zusätzliche Gabe von Selen hätte helfen können. Hier ist aber generell Vorsicht geboten, denn wir verstehen die Wirkung von Selen-Supplementationen noch nicht ausreichend. Nach wie vor besteht erheblicher Forschungsbedarf", erklärt Schomburg.

Europäer haben im Durchschnitt einen deutlich geringeren Selenstatus als US-Amerikaner. Daher tragen sie auch ein höheres Risiko, durch eine schwere Erkrankung ein massives Selendefizit zu entwickeln. "Dieser Gefahr muss in der Klinik bei Krebspatienten mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden", fordert Schomburg. "Denn eine angemessene und individualisierte Selengabe könnte sich als überlebenswichtig herausstellen." Ein solcher Therapieansatz müsste nach Meinung des Experten aber durch ein regelmäßiges und engmaschiges Monitoring begleitet werden. (red, derStandard.at, 25.10.2012)