Bild nicht mehr verfügbar.

Mit Halloween hat die Zombie-Droge nichts zu tun.

Foto: APA/Dean Lewins

Bild nicht mehr verfügbar.

Cloud Nine wird über das Internet unter anderem als Kräutermischung vertrieben.

Foto: APA/Fredrik von Erichsen

Ein Mann zerfleischt mit seinen Zähnen das Gesicht eines Obdachlosen, ein anderer knurrt bei seiner Festnahme wie ein tollwütiger Hund und versucht, einen Polizisten in die Hand zu beißen. Fälle wie diese haben im Mai dieses Jahres in Miami für Schlagzeilen gesorgt. Für das aggressive Verhalten der Menschen wurde die Designerdroge "Cloud Nine" verantwortlich gemacht, die Polizei warnte daraufhin die Öffentlichkeit vor der "Zombie-Droge".

Was die Konsumenten außer Kontrolle geraten lässt, ist der Hauptwirkstoff von Cloud Nine: Methylendioxypyrovaleron (MDPV), eine Substanz, die zu einem Realitätsverlust führen kann - aber nicht muss. "Es ist nicht so, dass jeder eine Psychose bekommt, der MDPV ausprobiert", betont Rainer Schmid, Drogenexperte am Wiener AKH und wissenschaftlicher Leiter der Drogenberatungsstelle CheckiT!. 

Noch ist nicht gesichert, ob tatsächlich Cloud Nine für die Horrorszenarien in Miami verantwortlich gemacht werden kann. Im dem US-Magazin "Time" war von "ein bisschen mehr als Spekulation" die Rede, und die Aussagen der Polizisten erwiesen sich als widersprüchlich. "Man darf bei diesem Medienhype nicht vergessen, dass in den USA gezielt versucht wird, potenzielle Konsumenten abzuschrecken", schätzt Hans Haltmayer, ärztlicher Leiter der Suchthilfe Wien, die Situation ein. Verkauft wird MDPV auch in Europa - Zwischenfälle wie in den USA wurden jedoch bis dato keine bekannt. 

Bereitschaft zu Aggressionen

Cloud Nine wird meist über das Internet als Badesalz, Kräutermischung oder Pflanzendünger vertrieben. "Mit diesen Bezeichnungen wird eine gewisse Harmlosigkeit suggeriert, die nicht gegeben ist", sagt Haltmayer. Tatsächlich erzeugt MDPV bereits in einer sehr niedrigen Dosierung spürbare Effekte. Neben einem erhöhten Blutdruck und einer gesteigerten Herzfrequenz zeigt der Konsument Symptome erhöhter Unruhe und Rastlosigkeit.

Über längere Zeit konsumiert, können Schlaflosigkeit, Angstzustände und Halluzinationen einen psychischen Zusammenbruch provozieren. "Das macht aber noch niemanden zum Zombie, muss also nicht zwangsläufig zu einem erhöhten aggressiven Verhalten führen. Dazu bedarf es einer psychischen Bereitschaft. Die Person muss sozusagen die Veranlagung besitzen, psychotische Schübe zu entwickeln", so Haltmayer. 

Drogentrip ins Ungewisse 

Der Konsum synthetischer Drogen wie Cloud Nine birgt insofern Risiken, als weder Langzeitfolgen noch genaue Wirkmechanismen und Toxizität bekannt sind. "Das ist quasi ein Blindflug", erklärt Haltmayer. Denn Cloud Nine gehört zu den "Research Chemicals", jenen neuen synthetischen Drogen, die ständig andere Wirkstoffkombinationen aufweisen. "Diesen ständigen Wechsel von Substanzen gibt es, um den Suchtmittelgesetzen auszuweichen und weil die Konsumentengruppe, an die sich das Angebot richtet, Interesse besitzt, Neues auszuprobieren", erklärt Rainer Schmid.

Allein 2010 wurden europaweit rund 50 neue Designersubstanzen registriert. Um den Drogenmarkt besser zu regulieren, gilt seit Jänner das "Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz". Bei Bedarf können nun Verordnungen erlassen werden, die neue Substanzen sofort verbieten. Für die Händler sind Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren vorgesehen. Konsumenten bleiben straffrei. 

MDPV auch in Speed und Ecstasy 

Dennoch bleibt der Markt für neue synthetische Drogen unberechenbar. Um das gesundheitliche Risiko für den Endverbraucher einzudämmen, setzt die Drogenberatungsstelle CheckIt! auf Prävention und Information. Konsumenten können gekaufte Drogen dort anonym auf ihre Inhaltsstoffe prüfen lassen. So wurde MDPV in den vergangenen Jahren vermehrt in den bekannten Partydrogen Ecstasy und Speed nachgewiesen. "Wenn MDPV als Speed verkauft wird, kann es zu Überdosierungen kommen", warnt Schmid vor dem Kauf "falscher" Drogen. 

Die Legalisierung weicher Drogen wie Cannabis würde zwar eventuell den Verkauf synthetischer Cannabinoide eindämmen - dass das aber auch den Markt neuer synthetischer psychoaktiver Drogen verkleinert, bezweifelt Schmid: "Ich glaube nicht an die Gateway-Theorie, wonach alle, die Cannabis rauchen, später auch zu synthetischen Drogen greifen." (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 30.10.2012)