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Jekaterina Samuzewitsch sprach nach dem Freispruch vor dem Gerichtsgebäude.

Foto: Sergey Ponomarev/AP/dapd

Moskau - Die russische Justiz hat am Montag die Haftstrafe für zwei Mitglieder der Punkband Pussy Riot bestätigt - eine dritte verurteilte Sängerin der Gruppe jedoch auf Bewährung freigelassen. Marina Alechina und Nadeschda Tolokonnikowa müssen für zwei Jahre in ein Arbeitslager, urteilte ein Moskauer Gericht am Mittwoch im Berufungsverfahren. Jekaterina Samuzewitsch sei jedoch nicht direkt an der Protestaktion beteiligt gewesen und komme daher frei.

Die drei jungen Frauen waren wegen einer Protestaktion in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau gegen die Wiederwahl des heutigen Präsidenten Wladimir Putin im August wegen "Rowdytums aus religiösem Hass" verurteilt worden. Samuzewitsch habe aber nicht direkt an dem gegen Putin gerichteten "Punkgebet" teilgenommen, urteilte Richterin Larisa Poljakowa. Sollte die 30-Jährige gegen ihre Auflagen verstoßen oder "andere Verbrechen begehen", könne die Strafe aber in vollem Umfang vollstreckt werden. Die Haftstrafen gegen die anderen beiden Sängerinnen würden nicht geändert.

Unschuld erneut betont

Der Berufungsprozess war Anfang Oktober vertagt worden, weil Samuzewitsch sich von ihrer Anwältin getrennt hatte. Ihre neue Verteidigerin Irina Chrunowa sagte bei der Anhörung am Mittwoch, die im Februar aufgeführte Aktion habe ohne ihre Mandantin stattgefunden. Samuzewitsch sei bereits wenige Sekunden nach Betreten der Kirche festgenommen worden. Als mehrere Künstlerinnen dann ihr "Punkgebet" aufgeführt hätten, habe sich Samuzewitsch bereits außerhalb der Kirche befunden, sagte die Anwältin.

Vor Gericht bekräftigten die drei Frauen am Mittwoch erneut ihre Unschuld und betonten, ihre Aktion habe sich gegen Putin gerichtet und nicht gegen Gläubige. "Es gibt nichts Antireligiöses bei den Aktionen von Pussy Riot, es war politisch", sagte Tolokonnikowa. Sie sei bereit, sich zu entschuldigen, wenn sie die Gefühle Gläubiger verletzt habe. Reue sei jedoch "unmöglich". Ähnlich äußerten sich die anderen beiden Frauen. Alle drei forderten ihre Freilassung. Sie säßen "wegen ihrer politischen Meinungen" in Haft. Sie betonten zudem, auch von einem Straflager aus "nicht schweigen" zu wollen.

"Große Freude"

Nach dem Urteil umarmten sich die Frauen, bevor Samuzewitsch aus der einem Käfig ähnelnden Anklagebank geführt wurde. Ihr Vater sagte AFP, das Urteil sei für ihn "unerwartet" gekommen, er empfinde "große Freude". "Einerseits bin ich sehr froh, andererseits bin ich enttäuscht wegen der Entscheidung über die anderen beiden Frauen", sagte Stanislaw Samuzewitsch.(APA, 10.10.2012)

Tolokonnikowa und Alechina haben beide ein kleines Kind. Die Nachrichtenagentur RIA Nowosti zitierte eine Justizquelle mit den Worten, in rund zehn Tagen würden die beiden Frauen erfahren, in welches Straflager sie kämen. Das Verfahren gegen die Pussy-Riot-Mitglieder hatte heftige Kritik an den russischen Justizbehörden ausgelöst und zu Solidaritätsbekundungen weltweit geführt. Politiker wie die birmanische Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und Prominente wie Madonna hatten sich für die Frauen eingesetzt und deren Freilassung gefordert.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte die neuerliche Haftstrafe für die zwei Musikerinnen. Damit habe die russische Justiz "die Chance verpasst, ein Unrechtsurteil zu revidieren". Auch im Fall der Freilassung Samuzewitschs stelle das Urteil "nicht klar, dass die Verhängung der Freiheitsstrafe Unrecht war".

Kritik aus Österreich

Die österreichischen Grünen forderten Außenminister Michael Spindelegger in einer Aussendung auf, im Namen der Republik gegen das Urteil Protest einzulegen. Auch die Strafen für die anderen beiden Bandmitglieder müssten in Bewährungsstrafen umgewandelt werden, denn das aktuelle Urteil sei "eindeutig politisch motiviert und hat mit einem Rechtsstaat nichts mehr zu tun." Die außen- und frauenpolitischen Sprecherinnen Alev Korun und Judith Schwentner warfen Spindelegger vor, aus reinem Wirtschaftskalkül über die verheerenden Menschenrechtsverletzungen in Russland hinwegzusehen.

Auch SPÖ-Nationalratsabgeordnete Petra Bayr kritisierte das Urteil als "eine grobe Verletzung der Meinungsfreiheit und der Menschenrechte". Es sei ein "erschreckend brutaler Versuch", Kritikerinnen und Kritiker auszuschalten und ein Zeichen für Putins Schwäche. "Auch in Russland muss - wie überall auf dieser Welt - das Recht auf Meinungsfreiheit gelten", teile Bayr per Aussendung mit. (APA, 10.10.2012)