Bereits zum sechsten Mal zeigt die Vienna Design Week, wie komplex die Prozesse hinter den Entwürfen sein können.

Foto: ´Silvio Teixeira / Christof Nardin

Wie schnell die Zeit vergeht, zeigen einem neben Weihnachten oder Geburtstagen auch jährlich wiederkehrende Events wie die Vienna Design Week. Ja, findet die jetzt schon wieder statt? Ja, das tut sie - und zwar seit heute. Wird das Thema Design die restliche Zeit des Jahres im Vergleich zu anderen kulturellen Veranstaltungen in der Stadt eher stiefmütterlich behandelt, spielt es während der kommenden Tage designtechnisch Granada. Und das auch schon wieder zum sechsten Mal. Trotz des Umstandes, dass die Festspiele der Gestaltung in diesem Jahr ein klein wenig abgespeckt haben und "nur" 99 Veranstaltungen an 61 Locations in zehn Bezirken anstehen, heißt es hurtig Programm studieren, Auswahl treffen, Kalender zücken und rein in bequeme Schuhe. Auf jeden Fall ist es gut, dass die Design Week auch in diesem Jahr ein wenig schummelt und die Woche zehn Tage dauern lässt, nämlich vom 28.9. bis zum 7.10. In Sachen zeitlicher und örtlicher Orientierung empfiehlt es sich, zuerst einmal die Website der Designfestspiele zu durchforsten (viennadesignweek.at). Auf dieser wird das gesamte Programm der von der 2006 gegründeten Neigungsgruppe Design erfundenen Designsause vom Team rund um die beiden Chefinnen Tulga Beyerle und Lilli Hollein (siehe Interview) übersichtlich und hübsch aufbereitet.

Auch wenn die Namen der Teilnehmer in anderen Jahren schon schillernder klangen, verspricht dieser Durchgang ein besonderer Ausflug in die Welt des Designs zu werden. Ein Highlight der Veranstaltung, die mittlerweile weit über die österreichischen Landesgrenzen hinaus bekannt ist, sind auch in diesem Jahr wieder die sogenannten Talks, bei denen heuer zwei Themen debattiert werden. Zum einen geht es um Berlin und seine Rolle als Sehnsuchtsort für Kreativschaffende. Diesbezüglich werden unter anderem Fons Hickmann und Axel Kufus zu Wort kommen. Zwei andere Vorträge widmen sich der Zusammenarbeit zwischen Gestalter und Produzenten. Ihre Sichtweisen legen der deutsche Architekt Hadi Teherani und der spanische Designer Martí Guixé dar. Apropos Guixé: Konzentrierte man sich in Sachen Besuch beim letztjährigen Durchgang auf Polen, sind es heuer Gestalter aus Spanien, die es den Veranstaltern besonders angetan haben (siehe auch Seite 14). Arbeiten von Guixé sind zum Beispiel bei Sotheby's in der Einzelausstellung "Still Life with Light" oder in der von Uli Marchsteiner kuratierten Schau "The Cuckoo Syndrome" im Kunstraum Niederösterreich zu sehen. Von der Iberischen Halbinsel stammen auch die in verschiedenen Design-Week-Events vertretenen Gestalter Oscar Diaz oder Omar Sosa.

Lebensweisheiten und Geheimrezepte

Herzstück und Klassiker der Veranstaltung sind wieder die sogenannten Passionswege, bei denen auch heuer wieder Gestalter zur Zusammenarbeit mit Wiener Betrieben schritten und nun zeigen, was gemeinsam über mehrere Monate ausbaldowert wurde. Auf der Liste stehen unter anderem J. & L. Lobmeyr, die Wiener Silbermanufactur, die Wittmann Möbelwerkstätten, die Spezialschlosserei Erwin Klenkhart, Obermarmeladinger Staud's, das junge Unternehmen LightGlass oder - man darf besonders gespannt sein - die Ottakringer Fleischerei Karl Sterkl. Apropos Ottakring: Auch wenn sich die Designweek mit dem Zusatz "A City full of Design" schmückt, wird bei der sechsten Auflage ein besonderes Augenmerk auf die Ottakringer Straße gelegt werden. Gleich um die Ecke: die Festivalzentrale mit Infopoint und Pop-up-Café im Etablissement Gschwandner (Geblergasse 36-40), wo Thonet bzw. die Designer Robert Stadler und James Irvine möbelmäßig auf 490 Quadratmetern für die richtige Atmosphäre sorgen. Hier wird es im Rahmen von Vorträgen und Referaten bei der Veranstaltung "Future Urban Mobility" um die Zukunft unserer Fortbewegung gehen. Still stehen, staunen und sogar mitgschafteln darf man im "Labor", einer Art Atelier auf Zeit, wo es die Möglichkeit gibt, fünf Gestaltern bzw. Büros bei deren Arbeit über die Schulter zu schauen. Deren Arbeitsthema lautet heuer "Pretty Ugly", jeden Abend um 18 Uhr wird das Tagwerk im Rahmen eines "Labor Gesprächs" mit verschiedenen Gastrednern abgeschlossen werden.

Ebenfalls fünf Designer und Studios an der Zahl sind unter dem Mäntelchen "Stadtarbeit" und "Social Design" zusammengefasst. Die Jeansmacher Gebrüder Stitch zum Beispiel laden Senioren in ihre "Vollpension" ein, um bei Kaffee und Kuchen Geheimrezepte und Lebensweisheiten auszutauschen. Ins "Theatre of Destruction" können Besucher ihre kaputten und wertlosen Haushaltsgeräte schleppen, wo die Designerin Lena Goldsteiner die Teile wieder in Schuss bringen will. Ehrgeizig wie sie sollte man sein, wenn man als Designer auf Stockerlplätze will, die im Rahmen der Design Week zum Programmpunkt werden. Im Rado Store in der Kärntner Straße fällt der Startschuss für den Wettbewerb Rado Star Prize, und auch die drei von einer wahrlich hochkarätigen Jury (u. a. Vito Acconci und Fabio Novembre) ermittelten Gewinner des Neue Wiener Werkstätte Design Award werden bekanntgegeben (28. 9.). Damit die Teilnehmerzahlen an solchen Wettbewerben auch in Zukunft nicht schrumpfen, ist aber nur ein Grund, warum auch der Punkt "Education" im Programm der Veranstaltung zu finden ist, der von Stadtführungen in Sachen Design bis hin zu Kinderworkshops reicht. (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 28.9.2012)