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Jean Ziegler: Die Zivilgesellschaft braucht die Presse.

Foto: APA/Neubauer

Hans Jörgen Manstein eröffnete Dienstag die Österreichischen Medientage. In seiner Rede kritisierte er visionslose Politik und Medien. "Uns ist das Gespür für den Inhalt verloren gegangen", sagte Manstein. "Wir stehen am offenen Grab der Vierten Gewalt." Medien würden Honorare auf "Hilfsarbeiterniveau" zahlen. "Denke ich an die Medien, dann fallen mir anstatt von Visionen Schreibsklaven ein." Ein Seitenhieb auf den ORF: Ohne freie Mitarbeiter kein Qualitätsprogramm.

Medienkritik kam auch vom Keynote Speaker Jean Ziegler. Der Soziologe, Autor und Globalisierungskritiker veröffentlichte Anfang September ein neues Buch, in dem er den Hunger anprangert. "Nahrungsmittel zu verbrennen ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", erklärte Ziegler. Hunger sei kein schleichender Energieverlust, sondern "eine der schlimmsten Todesformen, die man sich vorstellen kann. Hunger ist von Menschen gemacht und kann von Menschen besiegt werden", sagte Ziegler. Der Berichterstattung darüber fehle oft die Kausalität.

"Utopie" als Antrieb

Die Rolle der Presse müsse es sein, Zusammenhänge aufzuzeigen und das Schweigen zu brechen. Ziegler zitierte den Philosophen Burke: Alles was das Böse braucht, ist das Schweigen der guten Menschen. Antrieb sei auch die "Utopie", der Wunsch nach dem ganz Anderen. Der Journalist sei der Verwalter der Utopie, des Willens zur Gerechtigkeit, erläuterte Ziegler. Dabei kontrolliere der Journalist sich selbst, sei verantwortlich vor sich selbst, seinem eigenen moralischen Imperativ.

Nicht unerwähnt lässt Ziegler einen Widerspruch - die Eigentümerverhältnisse von Medienunternehmen. Die französische Zeitung "Figaro" gehöre dem Kriegsflugzeughersteller Dassault, nannte der Soziologe ein Beispiel. Doch dieser Widerspruch werde bekämpft durch Pressefreiheit.

"Kannibalistische Weltordnung"

"Es gibt keine Ohnmacht in der Demokratie", schließt Ziegler seine Keynote mit einem hoffnungsvollem Ausblick. Auch Verbraucher könnten Konzerne zurückdrängen. Der Bürger, die Bürgerin habe "die Waffen in der Hand, um die kannibalistische Weltordnung zu bekämpfen". Wie die Journalisten werde auch die Zivilgesellschaft vom moralischen Imperativ getrieben. Und damit schließt sich der Kreis. Die Zivilgesellschaft braucht die Presse. "Ohne Presse kann Bewusstseinsbildung nicht geschehen", gibt Ziegler den Medienmachern mit. (Sabine Bürger, derStandard.at, 25.9.2012)