Die EU will Muskeln zeigen und den Rettungsschirm möglichst weit aufspannen. In der Theorie sind bis zu 2000 Milliarden Euro möglich.

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Bevor sich die österreichischen Abgeordneten mit vertraulichen Plänen des Rettungsschirms ESM beschäftigen dürfen, müssen noch Insider-Regeln beschlossen werden, damit sie heikle Informationen nicht missbräuchlich verwenden können. Die nun diskutierte Hebelung der ESM-Gelder müsste aber ohnehin nicht durch den Nationalrat.

 

Wien/Brüssel - Der österreichische Nationalrat hat sich zwar umfassende Mitwirkungsrechte für künftige Hilfsprogramme des Rettungsschirms ESM ausbedungen - in der Praxis gibt es dabei aber noch einige Hürden zu nehmen.

Es geht in erster Linie um vertrauliche ESM-Aktivitäten. Also wenn überlegt wird, Anleihen eines Krisenlandes an den Märkten aufzukaufen, um so für eine Entlastung an der Zinsfront zu sorgen. Im Falle Spaniens oder Italiens wird seit längerem darüber spekuliert. Sickern hier Details zu früh durch, könnte die Wirkung an den Märkten verpuffen. Theoretisch müssten die Abgeordneten über solche ESM-Vorhaben aber im Vorhinein informiert werden. Angesichts der Brisanz der Informationen wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen beschlossen, diese Materien in einem kleinen, vertraulichen Unterausschuss des Budgetausschusses zu behandeln.

Eingesetzt wird dieses Gremium aber noch länger nicht. Zuerst müssen nämlich noch Gesetze gegen mögliche Insidergeschäfte der sieben Ausschussmitglieder beschlossen werden. "Ansonsten würden wir Superinsider schaffen", heißt es in Verhandlerkreisen. Konkrete Entwürfe gibt es noch nicht, die Richtung scheint aber schon klar: Die Ausschussmitglieder müssen alle privaten Finanzgeschäfte melden. Bestimmte Transaktionen werden, ähnlich wie bei Mitarbeitern der Finanzaufsicht, gänzlich verboten sein. Was heikel ist: Schon der Besitz eines Vorsorgeproduktes könnte eine Unvereinbarkeit darstellen. Ebenfalls geplant ist, die Immunität der Politiker für diesen Ausschuss aufzuheben.

Eine heftige politische Debatte ist also garantiert. Das heißt aber auch: Sollte Italien oder Spanien bereits in den nächsten Wochen oder Monaten um eine Intervention am Anleihenmarkt beim ESM ansuchen, würden die Abgeordneten in Wien damit nicht befasst.

Ganz unbeachtet bleiben sie damit aber natürlich nicht. Für alle weiteren ESM-Aktivitäten wird voraussichtlich am 2. Oktober ein zweiter Unterausschuss eingerichtet. Vorsitzende dürfte die VP-Politikerin Gabriele Tamandl werden. Grundsatzentscheidungen über Hilfsanträge müssen von diesem Gremium freigegeben werden. Ansonsten dürfte Finanzministerin Maria Fekter (VP) auf EU-Ebene nicht zustimmen.

Nur Inforechte bei Hebel

Die nun diskutierte Hebelung der ESM-Mittel (500 Milliarden Euro) müsste aus Sicht des Finanzministeriums aber nicht vom Parlament freigegeben werden. Details dazu kämen in die ESM-Richtlinien zu Anleiheinterventionen, bei denen die Abgeordneten nur Informationsrechte haben.

Was mit dem Hebel-Vorschlag gemeint ist? Statt selbst Anleihen zu kaufen, könnte der ESM auch privaten Geldgebern Garantien geben. Er könnte also sagen, dass im Falle eines Schuldenerlasses die ersten 20 Prozent vom Rettungsfonds übernommen werden. Mit 100 Milliarden Euro könnte er somit 500 Milliarden absichern. An den Gesamthaftungen der EU-Länder ändert das nichts (bei Österreich sind es knapp 20 Milliarden). Das Risiko steigt aber natürlich trotzdem. Zur Erklärung: Kauft der ESM direkt Staatsanleihen um 100 Milliarden und es gibt einen 20-prozentigen Schuldenschnitt, fällt er um 20 Milliarden um. Garantiert er mit dem Geld 500 Milliarden und es gibt einen 20-prozentigen Schuldenschnitt, fällt er um 100 Milliarden um.

Die EU-Kommission bestätigte am Montag entsprechende Überlegungen. Man hofft, die Finanzierung der Eurohilfen würde für die Märkte attraktiver - und am Ende billiger. Vor allem sollen Spekulanten abgeschreckt werden. Ähnliche Pläne gab es bereits beim provisorischen Fonds EFSF, sie scheiterten aber am mangelnden Interesse großer Geldgeber.

Im Gegensatz zu Österreich soll der deutsche Bundestag jedenfalls vor einer Hebelung eingebunden werden, kündigte Staatssekretärs Steffen Kampeter an. Die zuletzt kolportierte Summe von zwei Billionen Euro bezeichnete ein Sprecher aber als "völlig illusorisch". Auf diese Zahl käme man nämlich nur, wenn sämtliches Geld des ESM für die Absicherung privater Geldgeber eingesetzt würde.

Eine Entscheidung ist aber ohnehin noch nicht gefallen. Auf der Tagesordnung der ersten Sitzung des ESM-Gouverneursrates am 8. Oktober befindet sich das Thema nicht. Finnland leistet Widerstand. Ein Beschluss im ESM müsste aber einstimmig fallen. (Günther Oswald, Thomas Mayer, DER STANDARD, 25.9.2012)