Endspiel um zwei Menschen, die sich bange Blicke zuwerfen: Emmanuelle Rivas und Jean-Louis Trintignants offenes, aufrichtiges Spiel macht Michael Hanekes "Amour" tief bewegend.

Foto: festival cannes

Wien - Der Tod ist auch im Kino ein Skandal. Die wenigsten nehmen ihn allerdings so ernst wie Michael Haneke in Amour, mit dem der österreichische Meister der Unerbittlichkeit in Cannes das zweite Mal die Goldene Palme erobern konnte. Das Kammerspiel um ein in Frieden gealtertes, bürgerliches Paar in Paris, das sich mit dem Ende des Lebens konfrontiert sieht, ist auch eine Reverenz an das französische Autorenkino, dem sich Haneke verbunden sieht. Denn mit Emmanuelle Riva, bekannt aus Filmen wie Alain Resnais' Hiroshima, mon amour (1959), und Jean-Louis Trintignant sind die beiden tragenden Rollen mit Charakterdarstellern besetzt, die auch eine bestimmte Vorstellung von Qualität und Seriosität verkörpern. Sie beschenken diesen Film mit einer Darstellung, die man so aufrichtig wie furchtlos nennen kann.

Erstaunlich ist gar nicht so sehr die Präzision, mit der Haneke in Amour diese existenzielle Grenzsituation auslotet (das ist man von ihm gewohnt), als die Schnörkellosigkeit, fast will man sagen: Leichtigkeit, mit der er dies tut, ohne dabei an Dringlichkeit einzubüßen. Der Film spielt hinter verschlossenen Türen, das Sterben ist ein Prozess, der keinen Zuschauer verträgt - nicht einmal die eigene Tochter (Isabelle Huppert). Der unausweichliche körperliche Verfall von Anne nach einem Schlaganfall wird für den gebrechlichen Georges zur Bürde. Die Liebe erstickt das freilich nicht, aber der Raum wird enger.

So sind es dann auch die Blicke, welche die beiden einander versichernd, die Situation erduldend oder panisch zuwerfen, welche die eigentliche Geschichte des Films erzählen. Haneke inszeniert unaufdringlich, zurückhaltend, ohne Kraftanstrengung und auf Augenhöhe mit seinen Figuren. Man gewinnt dabei den Eindruck, dass er seinem Publikum und auch sich selbst mit Amour nichts mehr beweisen muss. Er sieht der Endlichkeit des Lebens ins Auge - da scheint es fast paradox, dass Amour tatsächlich sein bisher umsichtigster Film geworden ist. (kam, DER STANDARD, 18.9.2012)