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Olivia Wilde spielt in der TV-Serie Dr. House eine Internistin, die an der Erkrankung Chorea Huntington leidet.

Foto: APA/Richard Drew

Menschen, die die genetische Mutation für die Huntington-Krankheit in sich tragen, lernen schneller als gesunde Personen. Das berichten Forscher der Ruhr-Universität Bochum und aus Dortmund in der Zeitschrift Current Biology. Je stärker die Mutation ausgeprägt war, desto schneller lernten die Probanden. Damit zeigte das Team erstmals, dass neurodegenerative Krankheiten mit einer gesteigerten Lernleistung einhergehen können. "Es könnte sein, dass die gleichen Mechanismen, die zu den degenerativen Veränderungen im zentralen Nervensystem führen, auch die wesentlich bessere Lernleistung bewirken", sagt Christian Beste, Leiter der Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Neuronal Mechanisms of Action Control" an der RUB.

In einer vorangegangenen Studie berichteten die Bochumer Psychologen, dass die Leistung des menschlichen Sehsinns nachhaltig verändert werden kann, indem Probanden für kurze Zeit wiederholt mit bestimmten visuellen Reizen konfrontiert werden. Aufgabe der Teilnehmer war es, Helligkeitsveränderungen zu entdecken. Das konnten die Personen besser, wenn sie die Reize zuvor eine Weile passiv betrachtet hatten. Die gleiche Aufgabe stellten die Forscher nun 29 Probanden mit der genetischen Mutation für die Huntington-Krankheit, die derzeit noch keine Symptome zeigten. Außerdem testeten sie 45 Kontrollpersonen ohne vergleichbare Mutation im Erbgut. Bei beiden Personengruppen war die Lernleistung nach passiver Reizdarbietung besser als ohne passives Training. Probanden mit Huntington-Mutation steigerten ihre Leistung jedoch doppelt so schnell wie Personen ohne diese Mutation.

Paradoxer Effekt

Degenerativen Erkrankungen des Nervensystems liegen vielschichtige Veränderungen zu Grunde. Ein wesentlicher Mechanismus ist eine erhöhte Freisetzung des Botenstoffs Glutamat. Da Glutamat aber auch wichtig für das Lernen ist, könnte es in bestimmten Fällen zu dem paradoxen Effekt kommen: Bessere Lernleistung trotz Degeneration der Nervenzellen.

In jedem Versuchsdurchgang sahen die Probanden hintereinander zwei kleine Balken auf einem Computerbildschirm, die entweder gleich hell oder unterschiedlich hell waren. Manchmal änderte sich jedoch nicht nur die Helligkeit von Balken eins zu Balken zwei, sondern auch die Orientierung des Balkens (senkrecht oder waagerecht). "Normalerweise zieht der Ablenkreiz, also die Orientierungsänderung, ganz die Aufmerksamkeit auf sich", erklärt Christian Beste. "Doch nach dem passiven Training mit den visuellen Reizen spielt der Ablenkreiz gar keine Rolle mehr." Die Verschiebung der Aufmerksamkeit von den nicht relevanten zu den relevanten Eigenschaften des Reizes wurde auch im Elektroenzephalogramm (EEG) sichtbar, nämlich in Hirnarealen für die frühe visuelle Verarbeitung.

Stärkere Mutation, bessere Leistung

Bei der Huntington-Krankheit kommt ein kurzer Abschnitt eines Gens wiederholt vor. Die Anzahl der Wiederholungen bestimmt, wann die Krankheit ausbricht. In der vorliegenden Studie ging eine größere Anzahl an Wiederholungen jedoch auch mit einer besseren Lernleistung einher. "Das zeigt, dass es bei neurodegenerativen Veränderungen zu paradoxen Effekten kommen kann", sagt Christian Beste. "Die Alltagsmeinung, dass neurodegenerative Veränderungen grundsätzlich mit Verschlechterungen in unterschiedlichen Funktionen einhergehen, kann in dieser dogmatischen Form nicht mehr aufrechterhalten werden." (red, 14.9.2012)