Wer wird als Sieger in die Bücher eingetragen, sollte Lance Armstrong tatsächlich seine sieben Siege bei der Tour de France verlieren? In deutschen Medien wird bereits spekuliert, ob Jan Ullrich in diese Rolle schlüpfen könnte. Ziehen wir das Jahr 2000 als bestes Beispiel heran, um das Problem einer glaubwürdigen Nachbesetzung zu verdeutlichen. Zweiter wurde damals Ullrich. Wegen Dopings verurteilt. Dahinter Joseba Beloki. In die Affäre Fuentes involviert. Christophe Moreau oder Richard Virenque? Beide mit Festina aufgeflogen. Roberto Heras? EPO! Botero, Escartin, Mancebo: Doping, Doping, Doping. Womit wir bereits beim zehntplatzierten Daniele Nardello wären. Er wurde tatsächlich nie erwischt.

Bis in die späten Sechziger gab es keine Dopingkontrollen. Man kann sich leicht vorstellen, was die Sportler zuvor alles einwarfen und muss schon recht gutgläubig sein, um auch nur an einen einzigen sauberen Tour-Sieger im letzten Jahrhundert zu glauben. Oder an einen sauberen Leichtathletik-Weltrekord. Oder an sonst eine Höchstleistung in einer dopingaffinen Sportart. Es gibt sie, aber sie bilden wohl die ganz seltene Ausnahme, Armstrong hingegen den Normalfall.

Ein Aufrücken in den Ergebnislisten hätte nur Sinn, wenn man die Glaubwürdigkeit des Radsports wiederherstellen könnte. Das ist schlichtweg unmöglich, egal ob man nun Ullrich, Nardello oder zur Sicherheit gleich den Letztplatzierten heranzieht. Die Überführten müssen aus den Siegerlisten gestrichen werden, um den Kampf gegen Doping nicht vollkommen obsolet zu machen. Sie aber nachzubesetzen, wäre lediglich ein juristischer Formalakt, der weder dem Sport noch dem neuen Sieger weiterhelfen würde. (Philip Bauer; derStandard.at; 24.8.2012)