Seit Jahren wird der heimische Fisch gehypt, über den Flusskrebs aber wird selten ein Wort verloren. Seltsam, er schmeckt nämlich richtig gut. Wer sich, so wie ich vor ein paar Wochen, das erste Mal über eine Schüssel frisch gekochter Flusskrebse beugt, der staunt, dass es in Österreichs Flüssen etwas gibt, das so herrlich nach Krustentier duftet. Sein Fleisch erinnert an Hummer, bloß dass es etwas milder und zarter schmeckt. Hintergründe zu dem Tier gab es im Rondo, hier wird es nun zubereitet.

Auf drei Punkte sollte der Krebskoch achten:

  1. Nicht überwürzen. Der Flusskrebs hat einen sehr delikaten Geschmack, der schnell übertüncht wird. Die etwa in Schweden (und wohl auch anderswo) weit verbreitete Serviermethode in Tomatensauce halte ich nach einem Test für wenig sinnvoll. Sicher, mit reichlich Weißbrot schmeckt das schon gut, es ist aber ein wenig so, wie ein Steak durchzubraten – schade drum.
  2. Nicht übergaren. Wird das Fleisch zu sehr erhitzt, wird es faserig-breiig. Idealerweise wird das Tier daher nur kurz in kochendem Wasser getötet und gegart und anschließend das Fleisch nur mehr vorsichtig angewärmt.
  3. Wer Flusskrebse selbst zubereiten will, muss sie auch selber töten. Der Krebs muss wirklich frisch sein – zwischen dem Fang und dem Kochtopf liegen idealerweise nur ein paar Stunden, weil er noch lebend in den heißen Sud geworfen wird. Kommt der Krebs nicht schnell genug zum Topf, muss der Topf zum Krebs kommen. Ich habe mich deshalb zum Kochen zum Kollegen R. nach Linz begeben - danke nochmals für Obdach und jede Menge Wein.

Der Hauptgrund dafür, dass der Krebs gastronomisch selten verwertet wird, ist wohl die enorme Arbeit, die er macht. Essbar am Krebs ist das Schwanz- und Scherenfleisch, es auszulösen ist nicht ganz einfach. Zudem muss der Darm entfernt werden, weil sein Inhalt das Fleisch bitter macht. Wenn der Koch zu faul ist, plagt sich der Esser, ich bin nach einem Vergleich eindeutig fürs bereits ausgelöst Servieren.

Foto: Tobias Müller

Dafür den Schwanz vom Körper abdrehen und mit dem Rücken nach unten auf ein Brett legen. Nun die Schale auseinanderbrechen und das Fleisch herausdrücken. In der Mitte sollte der Darm wie ein schwarzer Faden aus dem Fleisch ragen. Herausziehen und wegwerfen. Anschließend die Scheren knacken. Am besten ist mir das mit einem Fleischklopfer gelungen: einfach draufschlagen, fest genug, um die Schale zu brechen, aber vorsichtig genug, um das Fleisch nicht zu zergatschen.

Foto: Tobias Müller

Vorsicht: Die Scheren haben mitunter ziemlich spitze Stacheln. Der Profi wirft die Schalen nicht weg, sondern macht daraus Krebsbutter, ich bin leider nicht zum Probieren gekommen.

Wer bessere Auslöse-Tipps hat, möge sie posten. Die Frau Wiener teilt die Krebse der Länge nach in die Hälfte, eine sicher sinnvolle Methode, die Kollege R. aber erst nach unserer Krebsschlemmerei entdeckt hat und die wir daher nicht versuchen konnten.

Je nachdem, was man vorhat, braucht man eine ganze Menge Krebse. Aufgrund der Arbeit, die sie machen, sind sie meiner Meinung nach eher als Vorspeise denn als Hauptgang geeignet, pro Person sollte man zumindest fünf, besser zehn einplanen. Kollege R., seine Gattin und ich haben fast 70 verdrückt, das muss aber nicht sein.

Flusskrebse in zwei Gängen

Erst den Sud aufsetzen. Einen großen Topf mit Wasser füllen, genug, damit es weiterkocht, wenn man mehrere Krebse hineinwirft. Wer sie nur garen will, nimmt einfach Salzwasser, wer sie später noch im Sud schwenkt, würzt. Ich habe, wenn ich mich recht erinnere, zwei Zwiebeln, zwei Karotten, eine Stange Sellerie, eine Flasche Weißwein, einige Lorbeerblätter, Pfefferkörner und Petersil für etwa vier Liter Wasser genommen.

Foto: Tobias Müller

Die Krebse Kopf voran ins kochende Wasser werfen, nicht zu viele auf einmal, eben gerade so, dass die Brühe weiter blubbert. Sobald sie untertauchen, verfärben sie sich blitzartig von einem unappetitlichen schlammgrünbraun zum köstlich-berühmten Hummerrot. Nach zwei, drei Minuten mit einem Schaumlöffel herausheben und die nächste Fuhre kochen.

Foto: Tobias Müller

Die fertigen Krebse wie beschrieben auslösen.

Foto: Tobias Müller

Das Fleisch vor dem Servieren entweder in Butter, Obers oder dem Sud vorsichtig anwärmen oder kalt verspeisen. Ich habe sie für die Vorspeise mit Avocado, selbst gemachter Mayonnaise, etwas Chili und Zitrone gemischt und auf Baguette serviert – empfehlenswert. Als Hauptspeise haben wir sie mit Tomatensauce verputzt, weil der Kollege R. darauf bestanden hat. Ergebnis: siehe oben.

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Weil ich nicht über Flusskrebse schreiben wollte, ohne gute wirklich professionell zubereitet gegessen zu haben, bin ich zum Kosten ins Steirereck gegangen. Dort wird nicht der gemeine Signalkrebs serviert, den man bei uns so aus den Flüssen fischt, sondern der Edelkrebs, den es, weil rar, fast nur mehr aus der Zucht gibt (siehe wieder hier: Ran an die Flusskrebse): Er hat kleinere Scheren, dafür einen größeren Schwanz als sein proletarisches Pendant. Sein Fleisch ist, professionell zubereitet, fast seidig weich mit etwas Crunch zwischendurch und hat feinstes (rückblickend bilde ich mir ein: fast nussiges) Krustentieraroma.

Der Herr Reitbauer erhitzt ihn nur vorsichtig auf höchstens 63 Grad und serviert ihn im Krebsfond mariniert mit Pastinaken-Milchrahmstrudel und Limetten. Das sieht dann so aus und lässt meine Krebse natürlich ziemlich abstinken:

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller
Weil sie mich so beeindruckt hat, noch ein paar Worte zur Vorspeise, laut Karte "Sommerkürbis mit Süßerdäpfeln, Paradeiser, Mandeln und Lavendel". (Im Kleingedruckten ist dann noch von schottischem Liebstöckel, grünen Mandeln, Ingwer, Orange oder Akazienhonig die Rede.) Der Gang war jedenfalls ein Erlebnis: sauer, fruchtig, weich, knackig, jeder Bissen ein wenig anders, erfrischend und vielseitig. Wenn ich einen Sommergarten kurz nach dem Regen in Geschmack übersetzen müsste, genau so sollte das sein.

Mein Dank an Walter Koller, Fischermeister von Rohrbach, der mich und den Kollegen R. mitgenommen hat auf die Jagd und uns reichlich mit Krebsen beschenkt hat; Heinz Reitbauer, der mir spontan ein nicht bestelltes Menü serviert hat und dem freundlichen Herrn Jakli von Fisch Gruber am Naschmarkt, der mich erst auf die Flusskrebs-Idee gebracht hat und der sie selbst gelegentlich im Angebot hat. (Tobias Müller, derStandard.at, 26.08.2012)