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Bo Xilai (re.) galt einst als Teil der chinesischen Polit-Elite. Nun beschuldigen die Behörden seine Frau (li.) des Mordes.

Foto: dapd

Blogger schreiben "Madame Korruption" oder "Chinas Lady MacBeth". Andere nennen sie eine Komplizin, die für ihren Mann und Politbüro-Funktionär Bo Xilai zur Mörderin an einem Ausländer wurde. Die 52-jährige Bo Gu Kailai, die ihren Beruf für Bos politische Karriere aufgab, war einst eine prominente Anwältin. Sie gewann sogar in den USA einen Prozess. Seitdem sie als Mörderin angeklagt ist, wird ihr 1998 erschienenes Buch "Ich habe in den USA gewonnen" antiquarisch zu Rekordpreisen gehandelt.

Nun muss sie sich selbst in einem politischen Schauprozess in China verteidigen, den sie nicht gewinnen kann. Am Donnerstag beginnt das spektakuläre Verfahren vor einem Provinzgericht in Anhuis Hauptstadt Hefei. Frau Bo ist zusammen mit Zhang Xiaojun, dem Haushälter der Familie, angeklagt. Er soll ihr bei der Ermordung des britischen Geschäftsmanns Neil Heywood am 15. November 2011 geholfen haben.

Peking hat es eilig, der mutmaßlichen Giftmörderin den Prozess zu machen, um diesen Kollateralschaden aus dem schwersten politischen Skandal seit Jahrzehnten wieder zu begrenzen. Denn der mächtige Parteichef von Chongqing, Bo Xilai, ging mit seiner Frau zusammen unter.

Im März, als er noch im Präsidium des Volkskongresses saß, galt der 63-Jährige als Auserwählter für den Aufstieg in die Innere Führung der Weltmacht China. Bo hätte damit rechnen können, im Oktober auf dem 18. Parteitag unter die neuen Mitglieder im Ständigen Politbüroausschuss zu kommen. Das gibt dem Skandal seine politische Brisanz.

Noch am Schlusstag des Volkskongresses nahm Bo an allen Abstimmungen teil. Dann verschwand er plötzlich in Pekings politischer Versenkung, angeblich verraten von dem ihm einst loyal ergebenen Chongqinger Polizeichef Wang Lijun.

Verstoß gegen Parteidisziplin

Drei Wochen nach dieser turbulenten Eröffnungsszene eines Politkrimis, der in Chinas Abgrund an Intrigen und Korruption blicken ließ, tagte am 10. April das Politbüro. Es suspendierte Bo wegen Verstoßes gegen die Parteidisziplin von allen Ämtern. Seine Frau und Polizeichef Wang wurden zu Kriminellen abgestempelt.

Die geschockte Öffentlichkeit erfuhr nun, dass Polizeichef Wang ein Verräter wurde, weil er am 6. Februar in das US-Konsulat in Chengdu flüchtete, angeblich aus Angst vor Bo. Dann erst stellte er sich Pekings Staatssicherheit und packte vor ihnen aus, was er zuvor den US-Diplomaten über Bos Machtehrgeiz und über dessen Frau erzählte. Sie sei eine Mörderin. Beweise soll Wang mitgebracht haben. Bevor die Behörden Heywood, der in seiner Hotelsuite in Chongqing tot aufgefunden wurde, einäschern ließen, hätte er sich Gewebeproben gesichert, die den Giftmord verrieten.

Im Gerichtsverfahren soll nun bekanntwerden, was im Hotelzimmer passierte. Das Gericht musste zwei Botschaftsdiplomaten als Beobachter beim Prozess zulassen. Auslöser für die Ermordung sei ein Streit über Geschäfte gewesen sowie ihre Furcht, dass der Brite für "Sohn Bo Guagua zur Gefahr wurde", heißt es vonseiten der Anklage. Der Sohn studierte mithilfe Heywoods in Oxford und Harvard.

Frau Bo hätte alles gestanden, erfuhr Hongkongs "South China Morning Post" von einem informierten Staatsanwalt. Sie würde nicht wegen Korruption oder Geldwäsche angeklagt.

Pekinger Juristen schließen aus, dass Bo Xilai als Zeuge aussagen wird. Die Anklage werde sich auf seine Frau konzentrieren und belastende Aussagen auch eines weiteren Ausländers zitieren.

Falls alles wie geplant läuft, würde Bos Frau strafrechtlich verurteilt. Ihr Mann wäre politisch entmachtet, käme aber mit einem parteiinternen Verfahren davon. Pekings Kalkül wurde erkennbar, als seine Propagandaämter offiziellen Medien vorschrieben, der Fall müsse als " Verstoß gegen Parteidisziplin" dargestellt werden. Er stünde in keiner Verbindung zum "schweren politischen Vorfall" um Polizeichef Wang oder zum "Verbrechen" von Bos Frau.

Verbrechen aus Verzweiflung

Die Juristen rechnen nun mit einem nur ein- oder zweitägigen Prozess. Danach würde sich das Gericht bis zur Urteilsverkündung vertagen. Die Aussage der Staatsanwaltschaft, dass Frau Bo ihren Sohn bedroht sah, baut ihr eine Brücke. Das Gericht könnte sie statt für heimtückischen vorsätzlichen Mord für ein Verbrechen aus "Verzweiflung" verurteilen. Frau Bo würde dann nicht hingerichtet. Zudem, so sickerte durch, wolle ihr das Gericht zugute halten, unter Depressionen zu leiden.

In ihrem Buch hat die Anwältin einst das Rechtssystem der USA mit China verglichen und schrieb: "Ich persönlich mag das chinesische System viel lieber." Blogger verhöhnen sie nun: "Du kannst das System jetzt genießen." (Johnny Erling, DER STANDARD, 8.8.2012)