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Viele Angehörige denken, dass die Freiwilligen mit den Klienten vor allem über das Begräbnis, das Sterben und die Ängste sprechen, dabei wird vor allem über Leben geredet.

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"Ich war dabei, als meine Klientin nach vier Monaten Hospizbegleitung verstarb. So
etwas vergisst man nicht." (Gerti Michelits, Altenfachbetreuerin und Freiwillige im Hospizdienst)

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"Man kann anderen Menschen mit so wenigen Mitteln in einer so schwierigen Situation
beistehen, das ist faszinierend." (Christa Wendelin, EDV-Spezialistin und Freiwillige im Hospizdienst)

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Liedermacher Konstantin Wecker, der sich seit vielen Jahren für die Hospizbewegung einsetzt, sagte in einem Interview: "Es ist nicht leicht, den Menschen den Tod nahezubringen." Der Tod ist immer da und doch ein Tabu, weil er keinen Platz in unserer Gesellschaft hat. Wir können den Tod verdrängen und leugnen - oder ihn akzeptieren und uns ihm stellen.

Normalität im Umgang mit dem Sterben ist es, was sich viele Schwerkranke wünschen. Unterstützung erhalten sie von den Rotkreuz-Freiwilligen des mobilen Hospizdienstes des Landesverbandes Burgenland. Ziel des kostenlosen Hospizangebots ist es, dass Menschen die letzte Lebensphase im Kreis der Familie verbringen und in dieser Umgebung in Würde sterben können.

Gegen die Hilflosigkeit und Angst

Zuhören, Normalität und einfach nur da sein - der Hospizgedanke stellt eine zutiefst menschliche Ergänzung der Bereiche Hauskrankenpflege und mobile Betreuung dar. Im Bezirk Neusiedl im Burgenland stehen Schwerkranken und deren Angehörigen seit zehn Jahren mobile Hospizteams zur Seite.

Eine von mittlerweile 17 Freiwilligen des mobilen Hospizdienstes im Bezirk Neusiedl ist die selbstständige EDV-Spezialistin Christa Wendelin, 48. Das Interesse für den Hospizbereich wurde vor einigen Jahren durch einen Vortrag des Roten Kreuzes geweckt. Ausschlaggebend war der Krankenhausaufenthalt ihrer krebskranken Tante. In dieser Zeit merkte Christa, wie wichtig es ist, etwas gegen die Hilflosigkeit und Angst der Klienten und Angehörigen zu unternehmen.

Vor zwei Jahren absolvierte Christa Wendelin eine Hospiz- Ausbildung. Kurz danach wurde ihr der erste Klient zugeteilt. Mit ihr konnte der betagte Herr offen über seine Sorgen und Schwierigkeiten mit den Angehörigen sprechen.

Für viele Schwerkranke ist es leichter, mit Außenstehenden zu sprechen, da man innerhalb der Familie oft nicht in der Lage ist, über das Tabuthema Tod zu sprechen. Viele wollen die Angehörigen vor ihren Ängsten schützen, nicht zur Last fallen. "Dass man jemanden hat, der einem zuhört, ist am wichtigsten", erzählt sie. "Die Arbeit ist unglaublich bereichernd. Ich lerne sehr viel für mein eigenes Leben. Man kann anderen Menschen mit so wenigen Mitteln in einer so schwierigen Situation beistehen, das ist faszinierend."

Über Wünsche und Gedanken sprechen können

Beistehen, zuhören, einfach da sein. Nicht nur Sterbebegleitung, auch Trauerbegleitung ist wichtiger Teil des Angebots. Christa Wendelin berichtet von ihrem zweiten Klienten, der eine sehr junge Gattin hatte. "Sie hat mich gleich bei meinem ersten Besuch umarmt und war froh, mit jemandem über ihre Sorgen sprechen zu können."

Wenn der Tod ins Leben greift, gleitet uns die Kontrolle aus der Hand, wir wissen nicht damit umzugehen. Am Anfang ihrer Hospiztätigkeit, erzählt Christa, hätte sie gedacht, man müsse die Klienten permanent ablenken, sie zum Lachen bringen und aufmuntern. Dabei geht es ihrer Meinung nach vor allem darum, ihnen die Möglichkeit und den Raum zu geben, über ihre Wünsche und Gedanken zu sprechen.

Elvira Appel ist diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester (DGKS), Koordinatorin des Bereichs Palliative Care beim Roten Kreuz im Burgenland und Leiterin des mobilen Hospizdienstes. Eine hauptamtliche Leitung der Hospizgruppen ist ebenso in den Standards des Dachverbandes Hospiz Österreich festgeschrieben wie die Ausbildungsrichtlinien und regelmäßige Inter- und Supervisionen. Obwohl das Thema Psychohygiene regelmäßig besprochen wird, ist es in der Praxis oftmals schwierig umzusetzen. Die Freiwilligen müssen lernen, wann es an der Zeit ist, sich zurückzunehmen, um wieder mit voller Energie weitermachen zu können.

Persönlichkeitsbildung

Je nach Nachfrage wird die Hospiz-Ausbildung vom Roten Kreuz im Burgenland einmal pro Jahr angeboten. "Die Teilnehmenden lernen in den Seminaren viel über sich selbst. Meist wird oft erst im Laufe des Kurses wirklich klar, ob jemand freiwillig mitarbeiten will und kann", berichtet Elvira Appel.

Dass die Ausbildung zur Persönlichkeitsbildung beiträgt, kann auch Christa Wendelin bestätigen. Sie hat durch die Seminare viel für ihr Privatleben mitnehmen können. "Ich habe gelernt, wie man mit Krankheit und Sterben einfacher umgehen kann. Es war faszinierend zu sehen, wie unterschiedlich jeder von uns Sterben definiert."

Hört man Gertrude Michelits, 46, zu, wenn sie über ihre Arbeit beim mobilen Hospizdienst berichtet, spürt man die innere Ruhe und Lebensfreude, die sie ausstrahlt. Gerti, wie sie alle beim Roten Kreuz nennen, ist Altenfachbetreuerin in einer Pflegeeinrichtung in Podersdorf. Sie ist eine der ersten Freiwilligen, die die Ausbildung zur Hospizbegleiterin in Neusiedl gemacht haben, und seit fast zehn Jahren Teil des mobilen Hospizteams im Burgenland.

Keine Sterbe-, sondern Lebensbegleitung

Gerti betont, dass ihre Freiwilligentätigkeit keine Sterbe-, sondern Lebensbegleitung ist. Meist hat man im Hospizbereich mit älteren Menschen zu tun. Gertis erste Klientin war jedoch eine an Krebs erkrankte 34-jährige Mutter von drei Kindern. Als Freiwillige beim mobilen Hospiz hilft man den Schwerkranken, ihre Angst loszulassen. "Zunächst ist man sich fremd, aber wenn es passt, kann man schon nach kurzer Zeit miteinander so vertraut sein", erzählt Gerti.

Während der vier Monate, in denen Gerti die junge Frau begleitet hat, hat sie gelernt, mit ihren eigenen Gefühlen umzugehen. Selbstreflexion, Hilfsbereitschaft und klares Denken sind ebenso wichtig wie der Respekt vor der Selbstbestimmung der Betreuten und der Mut, eigene Ängste zuzugeben.

Die Freiwilligen lernen, ihre eigenen Unsicherheiten zu überwinden. "Gefühle kennen keine Zeit. Natürlich hatte ich zu Beginn meiner Arbeit Angst und dachte mir, was darf ich fragen, was soll ich sagen? Aber man muss die Leute einfach nur ernst nehmen, ihnen zuhören und ehrlich zu ihnen sein. Zur jungen Mutter sagte ich damals, dass ich an ihrer Stelle auch große Angst hätte. Man muss lernen, offen über das Sterben und die Sorgen reden zu können", sagt Gerti und wendet sich wieder ihrem Kaffee zu.

"Niemand hat keine Angst"

Begleiten, zuhören, offen sein. Diese Worte fallen mehrmals. Gerti war auch dabei, als die Klientin nach vier Monaten Hospizbegleitung verstarb. "So etwas vergisst man nicht", sagt sie ehrlich. Aber es sensibilisiere einen auch für das eigene Leben. "Der Mensch ist des Menschen beste Medizin", sagt Gerti mit einem Lachen im Gesicht. Man spürt, dass sie zu hundert Prozent hinter dieser Meinung steht. "Man ist da, und der Klient kann sein, wie er will. Kann einfach Mensch sein. Jedes Sterben ist so individuell, und darum sollten wir jeden einzelnen Wunsch respektieren. Niemand hat keine Angst."

Schmerzfrei sein und nicht zur Last fallen. Das wünschen sich die meisten Hospizbetreuten. Auch nach dem Tod des Klienten stehen die freiwilligen Helfer für die kostenlose Unterstützung zur Verfügung. Sowohl Gerti als auch Christa haben den Angehörigen nach dem Tod Hilfe angeboten. Es ist eine große Erleichterung, jemanden zum Reden zu haben.

Die Kinder der verstorbenen krebskranken Klientin sieht Gerti noch ab und zu, erkundigt sich, wie es ihnen geht. Die Mutter wollte damals keinen Pfarrer bei ihrem Begräbnis - für deren Eltern undenkbar. Um die Kinder beim Abschiednehmen zu unterstützen, hat Gerti damals eine eigene kleine Feier, einige Zeit nach dem Begräbnis, organisiert. Ganz nach den Wünschen und Vorstellungen der Mutter. Die Kinder waren damals sehr dankbar, und auch für Gerti selbst war diese Form des Abschiednehmens wichtig.

Hellhörig sein, wahrnehmen können, hinhören

Wie sehr lässt man sich auf jemanden ein? Wie viel kann man machen? Was soll man machen? Wie kann man sich abgrenzen? Sowohl Gertrude als auch Christa bestätigen, dass man aufpassen muss, mit der eigenen Energie hauszuhalten. Einfacher werde es auch nach vielen Jahren im Hospizbereich nicht, bestätigen beide Frauen.

Wie Christa nutzt auch Gerti ihre Erfahrungen beim mobilen Hospizdienst für die tägliche Arbeit im Beruf. "Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten. Leider kommt oft das Reden zu kurz. Dabei tut das Erzählen den Menschen so gut. Hellhörig sein, wahrnehmen können, hinhören und allen mit Respekt begegnen. Das ist wichtig. Jeder Mensch hat eine Geschichte, und von jeder Falte kann man lernen", so Gerti.

Viele Angehörige würden denken, dass die Freiwilligen mit den Klienten vor allem über das Begräbnis, das Sterben und die Ängste sprechen, "dabei reden wir vor allem über das Leben", berichtet sie. Konstantin Wecker sagt, wenn wir den Tod leugnen, lernen wir das Leben nicht. Die Nähe zum Leben ist viel intensiver zu spüren, wenn wir den Tod nicht ausklammern und versuchen, selbstverständlicher damit umzugehen. Gerti und Christa sind starke, zuversichtliche Frauen. Sie zeigen, dass der mobile Hospizdienst eine Arbeit ist, die lebendig und bereichernd zugleich ist. Eine Arbeit, bei der es um das Leben und die Normalität geht. Denn das Sterben gehört zum Leben wie das Atmen. (Karin Pointner, Magazin Henri, 14/2012)