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Entscheidungen werden am Gipfel wohl keine getroffen, dafür vielleicht Signale gesetzt.

Foto: AP/Oliver Lang

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Grafik: APA

Brüssel- Der EU-Gipfel könnte am Donnerstag und Freitag eine grundlegende Weichenstellung für eine stärkere Integration der Europäischen Union bringen. Der Weg hin fast zu einer Art Bundesstaat mit Vorschlägen für eine Bankenunion und eine Schuldengemeinschaft inklusive der damit verbundenen Abgabe von Kompetenzen ist aber unter den 27 EU-Staats- und Regierungschefs ziemlich umstritten. Entscheidungen sind am Gipfel in diesem Bereich keine vorgesehen, es handelt sich um eine erste offizielle Auseinandersetzung auf breiter Ebene.

Die Euro-Staaten sollen nach einem Vorschlag der vier Präsidenten von EU-Rat, Kommission, EZB und Eurogruppe - Herman Van Rompuy, José Manuel Barroso, Mario Draghi und Jean-Claude Juncker - den Aufbau einer Fiskalunion mit gemeinsamer Schuldenfinanzierung als Fernziel in Angriff nehmen. "In einer mittelfristigen Perspektive könnte die Ausgabe gemeinsamer Anleihen untersucht werden als ein Element der Fiskalunion, abhängig vom Fortschritt bei der fiskalischen Integration", heißt es in dem Bericht der Vierer-Gruppe. Eine gemeinsame Haftung für die Staatsschulden wäre denkbar, sobald es einen robusten Rahmen für Haushaltsdisziplin gebe. Der größte Beitragszahler der EU, Deutschland, lehnt eine Vergemeinschaftung von Schulden bisher klar ab. Dagegen drängt Frankreich auf Euro-Bonds und eine Bankenunion auch ohne eine Fiskalunion.

Vier-Punkte-Plan

Der Vier-Punkte-Plan sieht eine Bankenunion, eine Fiskalunion, eine Wirtschaftsunion und eine Art Demokratieunion vor. Die Punkte im Einzelnen:

Bankenunion: Dabei geht es um eine gemeinsame Bankenaufsicht mit direkten Eingriffsrechten in Banken für eine neue europäische Aufsichtsbehörde. Nationale Einlagensicherungen könnten durch eine europäische Einlagensicherung ergänzt werden. Darüber hinaus ist ein Banken-Abwicklungsfonds vorgesehen. Dieser soll die Abwicklungskosten einer Bank finanzieren. Sowohl für die Einlagensicherung als auch für den Abwicklungsfonds könnte der ab Juli geplante permanente Euro-Rettungsschirm ESM als eine Art "Backstop" - also eine Rückfall-Versicherung - dienen. Für diese Bereiche ist offenbar keine Vertragsänderung erforderlich, was bedeutet, dass dies relativ rasch umgesetzt werden könnte.

Fiskalunion: Hier ist die Ausgabe von gemeinsamen Anleihen - Euro-Bonds - und eine stärkere Verlagerung von Entscheidungen über Budgets auf die Eurozonen-Ebene geplant. Diese beiden Bereiche sollten Hand in Hand gehen und verhältnismäßig erfolgen. Dabei ist aber eine Vertragsänderung notwendig - diese Schritte sind deshalb eher auf lange Sicht angelegt. In dem Bericht wird auch von einer Zehn-Jahres-Frist gesprochen.

Wirtschaftsunion: Ziel ist ein starkes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum sowie hohe Beschäftigung unter Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Dafür sollen bestehende Koordinierungsmechanismen vertieft werden. Die EZB sollte mehr Kompetenzen für wirtschaftspolitische Maßnahmen erhalten.

Demokratieunion oder "politische Union": Das Europaparlament und die nationalen Parlamente sollen stärker eingebunden werden. Beschlüsse auf europäischer Ebene sollen verbindlicher werden.

Bereits im Vorfeld hatte sich Barroso zurückhaltend bis skeptisch gezeigt. Er erwarte sich vom EU-Gipfel Klarheit über allfällige weitere Integrationsschritte. Er könne über den Zeitpunkt möglicher Vertragsänderungen derzeit keine Auskunft geben, aber "der EU-Gipfel kann uns zeigen, wie schnell und wie weit die Mitgliedstaaten bereit sind, zu gehen".

Neben diesen großteils auf längere Sicht angelegten Vorschlägen für ein neues europäisches Haus wird sich der EU-Gipfel auch mit "Feuerwehraktionen" wie zuletzt bei Spanien und Zypern befassen, sowie die Situation im weiterhin schwer verschuldeten Griechenland beraten. Für Griechenland hat der neue Regierungschef Antonis Samaras wegen einer Augenoperation seine Teilnahme am Europäischen Rat abgesagt, der als Finanzminister vorgesehene Vasilios Rapanos war kurz vor seiner Angelobung wegen eines Schwächeanfalls ins Spital eingeliefert worden, trat in der Folge zurück und wird nun durch Ioannis Stournaras ersetzt. Am EU-Gipfel selbst ist Griechenland mit dem 83-jährigen Staatspräsidenten Karolos Papoulias vertreten. Die Aussichten für Zypern sind ebenfalls nicht gerade rosig. Kommenden Sonntag übernimmt Zypern die EU-Ratspräsidentschaft, nachdem es kurz zuvor als fünftes Land Hilfe aus dem Euro-Rettungsschirm beantragt hat.

Erfreuliche Aussichten gibt es dagegen für Montenegro. Der EU-Gipfel dürfte den Beschluss der Außenminister bestätigen, wonach Montenegro sofort mit konkreten EU-Beitrittsverhandlungen beginnen kann. (APA, 27.6.2012)