Paris - Die Finanzminister Deutschlands, Italiens, Spaniens und Frankreichs sind am Dienstagabend in Paris zusammengekommen, um den EU-Gipfel Ende der Woche vorzubereiten. Vorher hatte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel abermals Eurobonds, also von den Euroländern gemeinsam begebene Staatsanleihen, strikt abgelehnt. Sie hält nichts von einer gemeinschaftlichen Haftung für Schulden europäischer Staaten. Eine gesamtschuldnerische Haftung werde es nicht geben, "solange ich lebe", sagte Merkel nach Angaben aus Teilnehmerkreisen in einer Sitzung der FDP-Bundestagsfraktion. Am Mittwoch wird sich Merkel mit Frankreichs Präsident Francois Hollande in Paris treffen.

Langsam, langsam

Auch der Deutsche-Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat vor einer raschen Einführung von Eurobonds oder Eurobills gewarnt. Der Versuch, "den letzten Schritt einer vertieften Integration zuerst zu machen und die anderen zu unterlassen, droht die Währungsunion zu gefährden", schrieb er in einem Gastbeitrag des STANDARD.

Weidmann befürchtet, dass der erforderliche Souveränitätsverzicht der Mitgliedsstaaten sowie die nötigen Anpassungen in EU-Verträgen und nationalen Verfassungen "ausgeblendet" werden. Die Schaffung einer Schuldenunion würde die "gegenwärtige politische und wirtschaftliche Instabilität weiter vergrößern". Für die nächsten Schritte in der Währungsunion sei eine Zustimmung durch die Bevölkerung aller Länder notwendig, erklärt der Bundesbankpräsident.

Soros schilt Merkel

Vor dem EU-Gipfel hat US-Investor George Soros das Euro-Krisenmanagement Deutschlands erneut scharf kritisiert. Die Haltung der Regierung in Berlin, in der Euro-Krise immer nur das Nötigste zu tun, verschlimmere die Situation in den Schuldnerländern, sagte Soros dem "Spiegel Online". "Das Ergebnis wird ein Europa sein, in dem Deutschland als Imperialmacht betrachtet wird - allerdings als eine Macht, die vom Rest Europas nicht bewundert und imitiert wird", sagte Soros.

Soros verglich die Situation der USA nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Deutschlands im heutigen Europa. Die USA hätten sich damals mit dem Marshallplan als "wohlwollende Imperialmacht" etabliert. Das habe dem Land selbst sehr genützt. Deutschland dagegen sei heute nicht bereit, sich auf etwas Ähnliches wie den Marshallplan einzulassen. "Es ist ein tragischer und historischer Fehler, dass Deutschland diese Möglichkeiten nicht erkennt." Die Währungsunion sei auf einem "selbstzerstörerischen Kurs".

Suche nach dem großen Wurf

Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag geht es um einen Wachstumspakt für Europa. Gleichzeitig erörtern die Staats- und Regierungschefs die Lage in kränkelnden Mitgliedstaaten wie Griechenland und Spanien. Außerdem sollen Brüsseler Vorschläge diskutiert werden, die Finanzpolitik enger zu verzahnen und gemeinsam über nationale Haushalte zu entscheiden.

Österreichs Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) hat "einen großen Wurf" gefordert. Nun sei die Zeit eine "wirklich große Lösung" zu starten, meinte er am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal". Dazu gehört für ihn ein gemeinsamer europäischer Finanzminister in Kombination mit einer Volksabstimmung. Natürlich sei ein gemeinsamer Finanzminister "ein massiver Eingriff", räumte Spindelegger ein, aber meint gleichzeitig: "Ich bin trotzdem dafür". "Wenn man den Spielraum, den man eingeräumt bekommt nicht ausfüllt, sondern mehr Schulden macht, so dass alles aus dem Ruder läuft, dann muss es die Möglichkeit geben auch einzugreifen", so der Vizekanzler. Das Beispiel Griechenland habe gezeigt, dass wenn sich einer nicht an die Regeln hält, auch alle anderen in Mitleidenschaft gezogen würden, und das dürfe so nicht mehr passieren.

Der sozialdemokratische Fraktionschef im Europaparlament, Hannes Swoboda, sieht den Erfolg des bevorstehenden EU-Gipfels "an einem seidenen Faden. In Hinblick auf die harte Linie der deutschen Kanzlerin betonte Swoboda: "Angela Merkels Sturheit bezüglich der Eurobonds ist gefährlich und sie riskiert es, durch ihr Verhalten zahlreiche Länder und die EU in eine Katastrophe zu führen."

Umschichtung der Fördermittel

EU-Regionalkommissar Johannes Hahn warnt indes vor allzu großer Hoffnung auf vermeintlich "ungenutzte Gelder" der EU-Strukturfonds. Von den in der Förderperiode 2007 bis 2013 zu vergebenden 350 Mrd. Euro seien 50 bis 60 Mrd. Euro noch nicht konkreten Projekten zugeordnet, aber einzelnen Ländern. Eine weitere Umschichtung der Fördermittel sei möglich, müsste aber von den EU-Staaten beschlossen werden, sagte Hahn am Mittwoch im Ö1-"Mittagsjournal" des ORF-Radio. Bereits 6 bis 8 Mrd. Euro wurden für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umgewidmet.

Kleine Agentur verpasst Deutschland schlechtere Bonitätsnote

Unterdessen hat die US-Ratingagentur Egan-Jones die Kreditwürdigkeit Deutschlands herabgestuft. Die Bewertung sei auf A-plus von AA-minus gesenkt worden, teilten die Bonitätswächter mit. Der Ausblick sei negativ.

Aufgrund der Schuldenkrise in Griechenland werde Deutschland auf "massiven" zusätzlichen uneinbringlichen Forderungen sitzenbleiben, begründete die Agentur den Schritt. Egan Jones gehört zwar nicht zu den bekanntesten Agenturen, genießt aber wegen ihrer Unabhängigkeit einen guten Ruf. (APA, 27.6.2012)