Georg Kapsch bleibt auch als IV-Präsident Vorstandschef der Kapsch-Gruppe. Interessenkonflikte sieht der 53-Jährige nicht.

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Der neue Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, könnte mit einer Finanzsteuer leben, nicht aber mit mehr Parteieinfluss bei der Staatsholding ÖIAG. Mit ihm sprach Günther Oswald.

 

STANDARD: Sie haben sich vor zwei Jahren für eine Finanztransaktionssteuer ausgesprochen - ungewöhnlich für einen Industriellen. Wird das offizielle IV-Position?

Kapsch: Wir bereiten ein neues Programm vor. Ich kann noch nicht sagen, was offizielle Position wird, weil ich ein Teamplayer bin. Die Finanztransaktionssteuer ist ein heikles Thema. Sie macht jedenfalls nur Sinn, wenn sie über viele, viele Länder geht. Für ein einzelnes Land würde sie den Tod des Kapitalmarkts bedeuten.

STANDARD: Auf EU-Ebene wird eine Allianz von neun Ländern diskutiert.

Kapsch: Neun Länder sind zu wenig. Das Kapital flüchtet. Was haben wir dann erreicht? Die Geschäfte laufen weiter, nur woanders. Also wenn, dann muss das wirklich breit getragen sein - das heißt über die EU hinaus.

STANDARD: Woher kommt Ihre grundsätzliche Befürwortung? Ist der Finanzsektor bevorzugt?

Kapsch: Mein Grundsatz lautet: Arbeitseinkünfte dürfen nicht höher belastet sein als Kapitaleinkünfte. Will ich Wertschöpfung schaffen, muss ich Anreize bieten.

STANDARD: Momentan sind Arbeitseinkünfte aber viel höher besteuert. Da müsste man ja drastisch die Steuern senken.

Kapsch: Die Belastung ist insgesamt zu hoch. Es ist absurd, dass wir Mitarbeiter, die aus dem benachbarten Ausland kommen, brutto deutlich höher bezahlen müssen, damit sie netto das Gleiche bekommen. Das ist ein dramatischer Wettbewerbsnachteil.

STANDARD: Wenn man die EU-Debatte über Ungleichgewichte verfolgt, hätte Österreich im letzten Jahrzehnt eher höhere Lohnabschlüsse in Kauf nehmen müssen.

Kapsch: Ich bin nicht der Meinung, dass wir zu niedrige Abschlüsse hatten. Wir haben zugegebenermaßen die Produktivität überproportional gesteigert. Hätten die Löhne Schritt gehalten, könnten wir uns international überhaupt nicht mehr durchsetzen. Wir haben kaum Rohstoffe in Europa, nur Know-how und gebildete Menschen.

STANDARD: Stichwort Bildung: Die IV hat das Bildungsvolksbegehren von Hannes Androsch mitgetragen. Umgesetzt wurde nichts.

Kapsch: Natürlich bin ich darüber enttäuscht. Seit 25 Jahren führen wir eine Bildungsdiskussion. Im Hochschulsektor ist zwar einiges passiert, bei den Kindergärten, dem Pflichtschulbereich und den AHS hat sich aber wenig bewegt.

STANDARD: Braucht es neue Parteien? Sie kommen aus dem liberalen Eck. Oft wird auch über eine Wirtschaftspartei gesprochen.

Kapsch: Das Bildungsproblem wird nicht durch neue Parteien gelöst. Meine Meinung zum Thema Wirtschaftspartei ist klar: Das macht keinen Sinn. Eine Partei muss das gesamte gesellschafts- und wirtschaftspolitische Spektrum abbilden. Wenn ein Teil fehlt, stimmt das Gesamtkonzept nicht.

STANDARD: Die SPÖ kritisiert die ÖIAG als "Privatverein der IV". Der Aufsichtsrat erneuert sich selbst. Haben Sie kein Verständnis, dass die SPÖ da mitreden will?

Kapsch: Ich habe Verständnis, wenn es um Infrastruktur im Sinne der Grundversorgung geht. Bei Telekom, Post und OMV ist das aber nicht der Fall. Und: Die drei Unternehmen machen 30 Prozent des ATX aus. Wenn die Politik da hineinregiert, hat das massive Auswirkungen auf die Investoren. Die wären sofort verunsichert.

STANDARD: Im Gegensatz zu Ihrem Vorgänger bleiben Sie Vorstand eines Unternehmens. Kann es da nicht zu Interessenkonflikten kommen? Die IV ist beispielsweise für eine Pkw-Maut, von der Kapsch ein potenzieller Nutznießer wäre.

Kapsch: Ich war schon in der Funktion als Präsident der Wiener IV immer in der Lage, das zu trennen. Außerdem macht mein Unternehmen den Großteil des Geschäfts mittlerweile im Ausland. Natürlich werden wir uns aber auch für Themen starkmachen, die mein Unternehmen betreffen. Bei gewissen Dingen werde ich mich persönlich aber zurückhalten und andere sprechen lassen. (Günther Oswald, DER STANDARD, 23./24.6.2012)