Nicolas Kayser-Bril sprach in der vergangenen Woche auf der Datenjournalismus-Konferenz des FJUM.

Foto: FJUM

Journalisten müssten nicht programmieren können, sagt Kayser-Bril - Basics würden schon reichen.

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"Mein Name ist Nicolas Kayser-Bril und ich bin ein Nerd." Mit diesen Worten begrüßt der 26-jährige Franzose die Besucher seiner Website nkb.fr. Der User muss gar nicht lange herumsurfen, um diese Aussage unterschreiben zu dürfen: Eine interaktive Grafik gibt Auskunft über Kayser-Brils Social-Media-Aktivität und seine eingegangenen E-Mails - am Montag waren es 119. Wenn der Graph unter 200 fällt, dürfe man mit einer raschen Antwort rechnen. Und natürlich gibt es auch eine Schnittstelle, eine API, mit der Interessierte von nkb.fr auslesen können.

Kayser-Bril war in der vergangenen Woche zu Gast in Wien, um bei der Datenjournalismus-Konferenz des FJUM, des Wiener Forums für Journalismus und Medien, vorzutragen. Kayser-Bril gilt als einer der ersten Europäer, die Datenjournalismus moderner Prägung - also mit interaktiven und dynamischen Grafiken, Schnittstellen, großen Datensätzen - betrieben haben.

derStandard.at: Welche Fähigkeiten brauchen Journalisten im digitalen Zeitalter, die man beim Arbeiten für Printmedien nicht gebraucht hat?

Nicolas Kayser-Bril: Es besteht eine Notwendigkeit zur Anpassungsfähigkeit, es geht darum, schnell und kontinuierlich zu lernen. Der Journalist von heute hat sich von einem Spielfeld, auf dem er Monopolist war, hinbewegt zu einer neuen Welt voller Konkurrenz und Wettbewerb, wo es keinen großen Wettbewerbsvorteil mehr gibt. Um fesselnde Online-Inhalte zu gestalten, ist es am besten auf dem Laufenden zu sein, welche Tools bei den Usern gut ankommen und welche die Produktivität erhöhen können.

derStandard.at: In der letzten Zeit gab viel Rummel um Datenjournalismus und große Leuchtturm-Projekte der New York Times oder des Guardian. Wie können auch kleine Redaktionen mit weniger Ressourcen es schaffen, Datenjournalismus sinnvoll zu betreiben, ohne sich neben diesen großen Medienhäusern zu blamieren?

Kayser-Bril: Datenjournalismus ist nicht nur ein großes Leuchtturmprojekt, wie sie der Guardian, ProPublica oder die New York Times vorexerzieren. In jedem dieser drei Fälle gilt, dass ihre Datenjournalismus-Projekte weit weg davon sind, profitabel zu sein. Sie sind möglicherweise gar nicht die besten Beispiele, denen kleinere Redaktionen folgen sollten. Andere Medien in den USA haben kleine Datenjournalismus-Teams mit zwei oder drei Leuten aufgesetzt, etwa WNYC oder die LA Times, die interessante Geschichten erzählen. Datenjournalismus-Projekte können aber auch von einem einzigen Journalisten umgesetzt werden können, der kostenlose und einfach zu lernende Tools verwendet. Meiner Ansicht nach ist es für Redaktionen am Wichtigsten, jemanden im Newsroom zu haben, der die verfügbaren Tools kennt und der weiß, in welchen Situationen Ressourcen von außerhalb wie Designer oder Programmierer auf Freelance-Basis zugekauft werden müssen.

derStandard.at: Müssen Journalisten programmieren lernen?

Kayser-Bril: Nein. Der Journalist-Programmierer-Statistiker-Designer ist ein Wunschtraum von Medieneigentümern. Niemand kann all das gut können. Programmiererfähigkeiten werden zwar nicht benötigt, Programmier-Basics aber sehr wohl - genauso wie jeder TV-Journalist die Grundkenntnisse darüber hat, wie eine Kamera funktioniert, obwohl ohnehin ständig ein Kameramann dabei ist.

derStandard.at: Welche Programmiersprache würden Sie Journalisten ohne Coding-Erfahrung empfehlen, die Inhalte visualisieren wollen?

Kayser-Bril: Javascript. JS ist die Programmiersprache, die im Browser verwendet wird. Die meisten Datenvisualisierungen werden in JS gerendert. Es ist unkompliziert, ein bisschen am Code herumzubasteln und ihn zu personalisieren. Die zweite Programmiersparche sollte server-side sein, wie Python oder PHP.

derStandard.at: An welchen Projekten arbeiten Sie derzeit, welche werden in den nächsten Monaten folgen?

Kayser-Bril: Nach Monaten des Ausprobierens und (vielen) Fehlern haben wir unser Unternehmen Journalism++ als "Inkubator" für Datenjournalismus-Projekte redesigned. Wir bieten unseren Kunden Consultings- und Trainingseinheiten an. Wir entwickeln aber auch eigene Ideen. Eine davon ist Feowl, ein Projekt, das vom International Press Institute finanziert wird. Das ist eine Open-Source-Plattform, die in Kamerun zur Messung von Stromausfällen via SMS eingesetzt wird. (flog, derStandard.at, 19.06.2012)