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Bob Woodward und Carl Bernstein.

Foto: Alex Brandon/AP

Es liegt auf der Hand, diese Frage zu stellen. Hätte es 1972 schon Google gegeben, wären die Watergate-Recherchen anders verlaufen? Schneller? Tja, sagt Bob Woodward und grinst, mancher stelle sich das heute wohl ein bisschen zu einfach vor: "Geheime Kassen" eingeben, und schon sprudle die Datenquelle. "Aber das wirklich gute Zeug gibt's nicht im Internet." Ganz richtig, pflichtet Carl Bernstein bei, am Wesentlichen habe sich nichts geändert in vierzig Jahren. "Du musst mit Leuten reden. Du erfährst Sachen, indem du zuhörst."

Woodward, braun gebrannt, mit scharf geschnittenen Gesichtszügen, lässt an einen Hollywood-Veteranen denken, Bernstein mit Brille und weißem Haar eher an einen gealterten Sparkassendirektor. Die beiden sitzen in bequemen Sesseln und feiern eine Sternstunde des Journalismus, standesgemäß am Tatort, im Watergate-Komplex, bei einem Forum der Washington Post. Erkennbar nostalgisch, weil die Akteure am Ende einen neunzigjährigen Greis hochleben lassen wie den Seniorchef einer nicht mehr ganz so erfolgreichen Erfolgsfirma. Ben Bradlee, seinerzeit Chefredakteur des Blatts, hat die Reporter machen lassen, ihnen Zeit gegeben. "Gebt nicht auf! Bleibt dran an der Story!", zitiert ihn Woodward.

Die Washington Post hat inzwischen Federn gelassen. Allein in den vergangenen zwölf Monaten verlor sie acht Prozent Auflage, typisch für die Krise der US-Tageszeitungen, die immer drastischer sparen. Kein Wunder, dass Leo Downie, Bradlees Nachfolger, den investigativen Journalismus in Gefahr sieht. Der koste Geld, betont er und stellt eine polemische Frage. "Wer würde das heutige Watergate aufdecken?"

Rückblende. Der 17. Juni 1972. Nachts schöpfte ein Wachmann in den Watergate-Korridoren Verdacht, angesichts eines Klebebands. Er wusste, dass die Putzfrauen solche Bänder über die Türen klebten, damit letztere nicht ins Schloss fielen. Aber nach Mitternacht waren keine Putzkolonnen mehr unterwegs. Die herbeigerufene Polizei nahm fünf Einbrecher fest. Sie waren zurückgekehrt ins Hauptquartier der Demokratischen Partei, weil eine Wanze nicht mehr funktionierte. Sie sollte ausgetauscht werden, damit die "Installateure" weiterhin mithören konnten. Jene " Plumber", die das Weiße Haus rekrutiert hatte, um undichte Stellen aufzuspüren, sodass brisante Informationen nicht länger an die Presse durchsickern konnten.

Kürzel und "Deep Throat"

Als sich Woodward und Bernstein der Sache annahmen, schien es ein x-beliebiger Einbruch zu sein. Nur so bekamen die jungen Lokalredakteure, der eine 28, der andere 29, überhaupt ihre Chance. Dann der Fund: In Adressbüchern der Täter standen neben dem Namen Howard Hunt interessante Kürzel, "WH" beziehungsweise "W House". Bald war Hunt ausfindig gemacht, ein früherer CIA-Agent, der für Richard Nixons Rechtsberater gearbeitet hatte. Ein hochrangiger FBI-Beamter bestärkte die Journalisten bei ihrer Spurensuche, indem er von systematischem Rechtsbruch sprach und die Dimensionen des Skandals ausmalte. "Deep Throat" tauchte zu nächtlicher Stunde in verlassenen Parkhäusern auf.

Dass sich hinter "Deep Throat" der FBI-Vize Mark Felt verbarg, weiß man seit 2005, als der Pensionist sein Schweigen brach. Einmal fragte ihn Woodward, ob er aus der Deckung kommen wolle. "Da fiel der Hörer in der Gabel."

40 Jahre Watergate - es ist klar bei so einem Schlüsselereignis, dass die Protagonisten nicht nur in Erinnerungen schwelgen, sondern auch den historischen Bogen schlagen, von 1972 ins Jahr 2012. Damals, betont Bernstein, hätten Demokraten und Republikaner zusammengearbeitet, um Nixons Netz illegaler Machenschaften aufzudröseln. Er wisse gar nicht, ob eine solche Kooperation angesichts tiefer Parteigräben heute noch möglich sei. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 16./17.6.2012)