Daniel Brühl in einem Tanktop von Calvin Klein Collection, Hemd Pendleton, Hose Dries van Noten, fotografiert von Peter Rigaud in Berlin.

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Foto: Peter Rigaud c/o Shotview Photographers

STANDARD: Was bedeutet Ihnen Mode?

Daniel Brühl: Ich will der Mode nicht zu große Bedeutung beimessen. Wenn ein Mann jedes Label kennt und auf der Toilette zehn Modezeitschriften herumliegen, finde ich das alarmierend. Allerdings bemerke ich, dass mich das Thema fasziniert. Beruflich bedingt muss ich mir darüber Gedanken machen. Gerade wenn ich zu Anlässen gehe wie einer Premiere mit rotem Teppich - oder eben zu Shootings, wo ich auch Sachen mitbringe.

STANDARD: Sie haben einen Koffer dabei. Was steckt alles drin?

Brühl: Hauptsächlich Hemden und Anzüge von Z Zegna, der jungen Linie des italienischen Labels. Für die arbeite ich seit vier Jahren als Markenbotschafter. An den Entwürfen mag ich, dass ich elegant und gleichzeitig nicht so formell aussehe. Die Hosen haben schöne Farben, petrolblau oder grau. Ich habe auch Jeans mitgebracht, die sind aber im Koffer geblieben. Das war ja eher ein College-Boy-Shooting.

STANDARD: Unterhalten Sie sich mit den Stylisten über Stilregeln?

Brühl: Ganz oft. Wie der Schuh zu den Hosen passt, das kapier ich nicht immer. Eigentlich heißt es: Brauner Schuh beißt sich mit schwarzer Hose. Die soll man lieber mit hellen Sommerhosen kombinieren. Der Engländer sagt sowieso: "Never wear brown after six." Ach, bei Schuhen kriege ich regelmäßig die Krise.

STANDARD: Was ist das Problem?

Brühl: Models haben offenbar Riesenfüße, ich habe nur Größe 41. Gerne stecken mich Stylisten oder Kostümbildner in enge Hosen und Schuhe, in denen ich nicht gehen kann. Das ist jedes Mal ein Horror. Ich fühle mich unwohl, bewege mich unnatürlich und sehe dadurch bescheuert aus. Ich hatte schon Anfälle am Set, habe Schuhe mit Zeitungen ausgestopft oder gleich neue bestellt. Da bin ich pingelig.

STANDARD: Die Lösung wären maßgeschneiderte Schuhe.

Brühl: Aus dem Film Was nützt die Liebe in Gedanken habe ich noch ein Paar Schuhe wie in den 20er-Jahren - schwarze, fein geschnittene Schnürschuhe. Die habe ich mir bei einem Schuhmacher in Berlin nachbauen lassen, weil ich die so schön fand. Leider ist im Moment die Sohle komplett abgelaufen. Das schmerzt richtig.

STANDARD: Hängen Sie an bestimmten Kleidungsstücken?

Brühl: Manche bewahre ich lange auf. Zum Beispiel habe ich noch hochgekrempelte kurze Hosen in Dunkelblau. Die habe ich Mitte der 90er-Jahre auf meinen Interrail-Touren durch Europa getragen und sind einfach nicht totzukriegen. In denen habe ich mich nie albern gefühlt, sodass ich keinen Grund sah, sie wegzuschmeißen. Und jetzt sind solche Hosen wieder in. Das würde mich fuchsen, wenn solche Stücke kaputtgehen. Da hängen auch Erinnerungen daran.

STANDARD: Stichwort: Erinnerungen. Was war Ihr peinlichstes Kinder-Outfit?

Brühl: Ich habe neulich mal Fotos angeguckt, da hatte ich mit vier Jahren Latzhosen an. Da fand ich mich relativ süß drin, heute würde man das vielleicht nicht so tragen. Ich weiß noch, wie ich damals die Sachen von meinem älteren Bruder geerbt und es gehasst habe. Gut kann ich mich an ein Hemd aus den 70er-Jahren erinnern, ganz schwarz mit gelb-orangen Punkten. Ich wusste, damit falle ich automatisch im Kindergarten auf - und welches Kind will das schon. Dasselbe Hemd hätte ich heute gerne in meiner Größe, das wäre arschcool.

STANDARD: Hat Ihre Mutter Einfluss auf Ihre Stilvorstellungen genommen?

Brühl: Nein, sie sagt nur: Lauf nicht schnöselig rum.

STANDARD: Was meint sie damit?

Brühl: Sie kommt aus Barcelona. Und in Spanien gibt es einen bestimmten Look, der sich seit Jahrzehnten nicht verändert hat. Ein Mann, der ein pinkfarbenes Polohemd trägt, reingesteckt in eine helle Segelhose, dazu braune Loafers oder Mokassins - und er hat den gelben Pulli über Kreuz um die Schulter gebunden. Mit so einem Look hätte meine Mutter große Probleme.

STANDARD: Worauf achten Sie, wenn es um Stil geht?

Brühl: Ich bin ein Uhren-Freak. Das Filigrane an Uhren finde ich toll, mich faszinieren die technischen Details, das irrsinnige Handwerk in diesem kleinen Gehäuse. Im Moment trage ich eine Neuauflage von Longines aus den 60er-Jahren.

STANDARD: Sind Uhren Erbstücke in Ihrer Familie?

Brühl: Nein, obwohl mein Vater auf seine Omega stolz war. Als Zwölfjähriger hatte ich eine Zeit lang einen Taschenuhren-Fimmel. Ich besaß eine Sammlung von zehn Stück, die ich auf Flohmärkten gekauft habe. Eine habe ich mir mit eingravierten Initialen zum Geburtstag gewünscht. Die werde ich eines Tages meinem Sohn vermachen.

STANDARD: Wenn Sie auf den roten Teppich gehen, haben Sie ein Standardoutfit, in dem Sie eine gute Figur machen?

Brühl: Ich bevorzuge einen Anzug mit Krawatte, gerne eine schmale. In England habe ich kürzlich Wollkrawatten gesehen, die fand ich super. Ehrlich gesagt bin ich kein Fan von Fliege und Smoking. Darin fühle ich mich unwohl. Ich freue mich, dass ich einen Beruf habe, in dem ich manchmal einen Anzug tragen kann, ohne aufzufallen. Es gibt Kollegen, die ziehen sich jeden Tag so elegant an. Ich denke an Schauspieler wie Ulrich Tukur oder Tom Schilling. Das wäre nichts für mich, weil ich mir dann zu gestylt vorkomme.

STANDARD: Der Regisseur Oskar Roehler ("Elementarteilchen", "Jud Süß") sagt sogar: "Auf keinen Fall T-Shirts!" Teilen Sie seine Meinung?

Brühl: Nein, trotzdem trage ich lieber Hemden. Das fing schon früh an. Mit zehn Jahren habe ich mir lieber ein Hemd anstatt eines Kapuzenpullis ausgesucht, wenn ich mit meiner Mutter im Geschäft war. Und ich habe bis heute ganz klare Vorstellungen: zum Beispiel lieber kleine als große Krägen. Wenn ich keine Krawatte trage, sondern nur den Anzug, dann darf der Kragen nicht einknicken.

STANDARD: Machen Sie den obersten Knopf zu?

Brühl: Viele Jungs tragen im Moment Anzüge ohne Krawatte und schließen ganz cool den obersten Knopf. Sieht bei einigen gut aus, ich mache das nicht mit.

STANDARD: Ist Ihnen schon mal ein Anzug in der Reinigung abhandengekommen?

Brühl: Na ja, es gab einen Vorfall im Hotel Altstadt in Wien, einem wirklich tollen Haus. Ich habe da mal übernachtet, musste am kommenden Tag nach Mailand und habe einen grauen Wollanzug von Zegna in die Reinigung gegeben. Am Morgen bekam ich den wieder - triefend nass und auf Kindergröße geschrumpft. Leider hat ihn jemand allen Ernstes in die Waschmaschine gesteckt, dem Hotel tat das unheimlich leid, und ich war wirklich geknickt. Der war maßangefertigt, das ist gar nicht so einfach, den wiederzubekommen.

STANDARD: Beschäftigen Sie sich beim Drehen mit dem Stil der von Ihnen gespielten Figuren?

Brühl: Darüber denke ich natürlich nach. Gerade wenn ich eine reale Figur spiele wie kürzlich den Rennfahrer Niki Lauda. Da gibt es natürlich viel Material, um nachzusehen, was er so getragen hat. Was er für ein Typ in den 70er-Jahren war.

STANDARD: Und Ihre Einschätzung?

Brühl: Er war für die 70er-Jahre recht elegant gekleidet, nicht so wild aufgetakelt mit riesigen Krägen am Hemd und großem Schlag an der Hose. Er trug klassisch Sakko, Hemd, Pulli und eine schön geschnittene Hose.

STANDARD: Die berühmtesten Bilder zeigen Lauda ohne Anzug - in Siegerpose in der Formel-1-Montur ...

Brühl: ... die mein Lieblingsoutfit war. Wann darf man schon mal mit einem Ferrari-Rennanzug herumfahren?

STANDARD: Was macht so eine Montur mit Ihnen?

Brühl: Der Anzug gab mir totale Sicherheit. Das Gefühl, dass die Zuschauer mir die Figur glauben. In anderen Klamotten könnte ich ein normaler junger Mann aus der Zeit sein, in der Sportmontur war ich sofort Niki Lauda. Ich spürte dieselben Materialien wie er - die feuerfeste Unterwäsche, ein ganz weicher Stoff, der angenehm auf der Haut liegt. An den Füßen trug ich diese maßgeschneiderten Lederschuhe wie er, fast ohne Profil, die ein italienischer Schuhmacher damals für ihn angefertigt hat. Heute ist der Mann über 80, inzwischen pensioniert, hat sich aber bei der Produktionsfirma gemeldet, als er vom Dreh erfahren hat. "Ich will für den Schauspieler dieselben Schuhe wie für Niki damals machen", hat er am Telefon gesagt. Ich glaube, etwa 1000 Euro haben die gekostet. Vielleicht kaufe ich die dem Studio ab.

STANDARD: Einen Rennanzug brauchen Sie dann auch.

Brühl: Das sagt mir jeder: Kauf dir bloß einen Anzug. Ich habe nur Angst, dass er vielleicht im Schrank verstaubt und ich ihn nur einmal zum Kölner Karneval anziehen kann.

STANDARD: Was erzählt das Outfit Ihrer Figur in dem aktuellen Film "Und wenn wir alle zusammenziehen?", der nun in die Kinos kommt?

Brühl: In dem Fall gab es eine konkrete Ansage des Regisseurs Stéphane Robelin: Das ist ein Student, ein normaler Typ, der in die merkwürdige und lustige Welt alter Leute hineingerät. Da habe ich gleich meine eigene Kleidung mitgebracht. Die macht 50 Prozent dessen aus, was die Zuschauer im Film sehen.

STANDARD: Und sie sehen an Ihrer Seite Schauspielerlegenden wie Jane Fonda und Geraldine Chaplin.

Brühl: Die Disziplin einer Jane Fonda hat mich beeindruckt. Die macht jeden Tag extrem viel Sport, sie ist durch Arbeit so schön gealtert. Geraldine Chaplin hingegen achtet sehr auf ihre Ernährung. Privat bevorzugt sie einen schrilleren Stil als im Film. Sie zieht sich verschärft an. Das würde sich keiner von uns trauen: knallige Nike-Turnschuhe, bunte Tops und auffällige Leggings. Das sieht aber nie aufgesetzt aus.

STANDARD: Wer trägt bessere Kleidung am Set - Quentin Tarantino oder Ron Howard?

Brühl: Beide sind Amerikaner und tragen sportive Sachen - Sneakers, T-Shirts und Baseballmützen. Tarantino hat auch mal ein weit ausgeschnittenes Batman-Muscle-Shirt an. Das ist nichts für mich. Da entspricht Ron Howard mehr meinem Stil - mit einfarbigem Pullover.

STANDARD: Ihr Kollege Matthias Schweighöfer investiert selbst in ein Modelabel. Wäre das was für Sie?

Brühl: Nein, überhaupt nicht.

STANDARD: Sie sind Mitbetreiber der Bar Raval, eines spanischen Restaurants in Kreuzberg. Das Geschmäcklerische beschränkt sich also auf das Essen?

Brühl: Ich finde es schön, wie viel Geld in Spanien für Essen ausgegeben wird - und wie hoch die Lebensmittelqualität in Supermärkten ist. Gutes Essen - wohlgemerkt: nicht teures - gehört zum Leben dazu.

STANDARD: Bei welchem Gericht läuft Ihnen das Wasser im Mund zusammen?

Brühl: Ich bin begeistert vom Salmorejo, das ist eine schöne Alternative zum Gazpacho und wird mit Tomaten anstatt mit Gurke zubereitet. Gerade bei Frauen ist der beliebter, weil weniger Zwiebel drin sind. Im Sommer haben wir hoffentlich wieder die Wassermelonen-Gazpacho auf der Karte, die ist unheimlich erfrischend. (Ulf Lippert, DER STANDARD RONDO, 15.06.2012)