Uni-Wien-Rektor Engl macht den Studierenden ein Angebot: Die Zahlung der Studiengebühren kann gestundet werden, bis es eine rechtskräftige Entscheidung gibt.

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UniStandard: Herr Rektor, warum hat sich gerade Ihre Uni als erste auf das Risiko einer Wiedereinführung von Studiengebühren eingelassen? Man hat das Gefühl, Sie wollen dem Ministerium im Hinblick auf die Leistungsvereinbarungen als besonders tüchtig auffallen.

Heinz Engl: Dass die Uni Wien als Erste so einen Senatsbeschluss vorweisen kann, ist reiner Zufall. Es haben sich mehrere Unis auf diese Linie verständigt und das inhaltliche Vorgehen abgesprochen. Es geht auch nicht darum, uns beim Minister einzuschmeicheln, sondern, in dieser Frage Klarheit zu schaffen.

UniStandard: Dennoch wirkt das wie ein taktisches Manöver. Sie selbst betonen immer wieder, dass Gebühren keine inhaltliche Priorität sind - und trotzdem führen Sie sie ein.

Engl: Ja, das ist vermeintlich ein Widerspruch. Ich habe immer gesagt, Studiengebühren haben für mich keine universitäre Priorität, weil das Aufgabe der Politik ist. In den Budgetverhandlungen mit dem Ministerium geht es um die Gesamtfinanzierung für die Uni Wien - rund 350 Euro. Die jetzt eingeführten Restgebühren sind zwar "nur" neun Millionen pro Jahr, aber trotzdem fehlen sie uns! Das sind 150 Postdoc-Stellen. Wir können das heuer überbrücken, nächstes Jahr nicht mehr.

UniStandard: Frau Clar, befürchten Sie eine Ausweitung der Studiengebühren, sollten die Richter die Position des Rektors bestätigen?

Maria Clar: Ja, das ist eine große Befürchtung von uns. Das gäbe dem Ministerium die Möglichkeit, beständig Druck auf die Unis auszuüben: " Wenn ihr die Gebühren nicht ausweitet, braucht ihr offenbar nicht mehr Geld." In England haben sich die Studiengebühren innerhalb der letzten 14 Jahre auf 11.000 Euro erhöht. Das ist zu befürchten. Als in Österreich 2002 die Gebühren eingeführt wurden, ist das gleiche Geld vom Budget weggekürzt worden, es gab dadurch keine Mehreinnahmen. Außerdem will der Minister die Frage der sozialen Absicherung nun auf die Unis abwälzen.

Engl: Ich verstehe diese Befürchtungen, und wir haben das auch mit dem Minister besprochen. Töchterle hat betont, er sieht Studiengebühren als etwas, das staatlich finanzierte Unis zusätzlich einheben können sollen. Da verlasse ich mich auf sein Wort. Studiengebühren von 14.000 Euro wären bei uns nicht verfassungskonform.

UniStandard: Kann es generell Aufgabe eines Uni-Rektors sein, Gesetzeslücken zu stopfen?

Engl: Nein, das ist nicht meine Aufgabe. Wir wollen hier aber einen Beitrag leisten, diese Lücke rasch wieder zu schließen.

UniStandard: Wie steht es eigentlich um das Arbeitsklima an einer Uni, an der regelmäßig die Polizei gerufen wird und man den Studenten nicht mehr im Hörsaal, sondern vor dem Richter begegnet?

Engl: Das sind zwei verschiedene Dinge. Dass man sich vor dem Höchstrichter begegnet, ist in einem Rechtsstaat ein normaler Vorgang. Die Universität arbeitet hier für rechtliche Klarheit, nicht gegen Studierende. Was aber die andere Frage angeht: Es ist in den letzten beiden Wochen zu ernsten Situationen, teils gewalttätigen Aktionen, gekommen, und ich hoffe, dass sich das nicht wiederholt.

Clar: Die Wut, die zu den Protesten geführt hat, ist inhaltlich völlig plausibel. Zudem finden wir, dass die Polizei in der Uni fehl am Platz ist. Wichtiger wäre es, zu überlegen, wie diese Frustration verhindert werden kann. Auch nimmt die studentische Mitbestimmung zunehmend ab.

UniStandard: Haben Sie beide vor, sich abzusprechen, um eine Kostenexplosion durch die bevorstehenden Klagen abzuwenden? Bei mehreren tausend Klägern könnten sich die Verfahrenskosten auf einen mehrstelligen Millionenbetrag belaufen.

Engl: Vernünftig wäre das natürlich nicht. Wenn wir verlieren und zehn Millionen an Kosten zu bezahlen haben, stellt sich die Frage, in wessen Interesse das ist. Wir haben den Text so austariert, dass in Realität diese Gefahr nicht besteht. Sollten wir verlieren, werden wir die Verordnung rückwirkend aufheben, und jeder Studierende bekommt das Geld zurück.

UniStandard: Gibt es Angebote an die Studierenden, um die Zahl der Klagen klein zu halten?

Engl: Es gibt das Angebot, dass im Satzungstext eine aufschiebende Wirkung steht: Wenn jemand einen Bescheid über die Studiengebühren verlangt, wird die Zahlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung gestundet.

UniStandard: Inwiefern besteht für die Studierenden Rechtssicherheit vonseiten der ÖH? Für wie viele Kläger könnten Sie die juristischen Kosten übernehmen?

Clar: Das müssen wir uns noch anschauen. Momentan ist dafür eine Million Euro von der ÖH-Bundesvertretung aufgelöst worden.

UniStandard: Derzeit gibt es Aufregung über die Abschaffung des Bachelorstudiums Internationale Entwicklung. Jene, die nach diesem Curriculum studieren wollen, könnten ein Individuelles Studium beantragen - worauf nach dem Uni-Gesetz ein Anspruch besteht.

Engl: Diese Anträge werden auf die Möglichkeit alternativer Zugänge zum Master IE verwiesen werden. Wir haben gelernt, dass der Bottom-up-Wuchs eines Studiums jetzt nicht finanzierbar ist.

Clar: Es ist unverständlich, dass ein Studiengang ohne Evaluierung abgeschafft wird. Die Unterfinanzierung der Unis wird auf dem Rücken der Studierenden ausgetragen. Das ist inakzeptabel. (Tanja Traxler/Dominik Zechner, UniStandard, DER STANDARD, 3.5.2012)