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Der Euro brennt. Am Bild nicht nur metaphorisch. Bargeld gehört zu unserem Alltag, auch wenn es immer öfter durch neue Bezahlmöglichkeiten zurückgedrängt wird.

Foto: REUTERS/Michael Buholzer

Kanada schaufelt ein Millionengrab der ganz anderen Art. Noch heuer soll die Ein-Penny-Münze weitgehend aus dem Kreislauf verschwinden und vor allem nicht mehr geprägt werden. Der Grund: Die Produktion einer Penny-Münze, die in etwa das Gegenstück zu unserer Ein-Cent-Münze ist, kostet nach Angaben der kanadischen Notenbank 1,6 kanadische Cent. Mit dem Einstampfen der Produktion erwartet das Land, rund elf Millionen kanadische Dollar einzusparen (8,47 Millionen Euro). Die Mini-Münze werde sowieso keinem abgehen, ist sich Finanzminister Jim Flaherty sicher. Die Pennies würden vor allem in irgendwelchen Gläsern oder zur Glücksoptimierung am Boden von Springbrunnen landen.

Zum Vergleich: Die Herstellungskosten eines Euro-Cent-Stückes liegen laut Oesterreichischer Nationalbank (OeNB) - vom Rohstoff bis zur Prägung - im langjährigen Durchschnitt bei einem Cent. Ein Nullsummengeschäft, könnte man sagen.

Birger Priddat, deutscher Ökonom und Philosoph, kann Münzen als Kleingeld generell nichts abgewinnen. Die Kanadier seien nicht die Ersten, die Kleinstmünzen abgeschafft hätten, andere Länder wie Finnland hatten diese Idee auch schon, erklärt er im Gespräch mit derStandard.at. Auch in der Eurozone hat man sich schon darüber Gedanken gemacht. Der Wunsch nach einer Umstellung von Zwei-Euro-Münzen auf Zwei-Euro-Scheine blieb aber unerfüllt. Priddat: "Nicht nur ich mag Kleingeld einfach nicht. Da habe ich ständig dieses lästige schwere Zeug in der Brieftasche. Ich runde es beim Bezahlen auch immer auf, die Leute sind dann oft ganz überrascht, weil sie mit dem 'Trinkgeld' gar nicht rechnen."

E-Money by Nationalbank

Doch nicht nur die Penny-Münze soll in Kanada bald Geschichte sein. Die Münzprägeanstalt Royal Canadian Mint (RCM) hat Anfang April einen Wettbewerb für elektronisches Geld ausgeschrieben. Entwickler wurden aufgefordert, sich mobile Bezahl-Anwendungen einfallen zu lassen, die auf einer eigens entwickelten Technologie basieren sollen.

Kanada versucht damit, eine eigene E-Währung zu etablieren, die vor allem für kleinere Beträge verwendet werden soll. Und da über kurz oder lang auch das Kleingeld aus dem Zahlungsverkehr verdrängen soll. Im Unterschied zu anderen E-Geldern wie zum Beispiel Bitcoin, würde das kanadische Mobil-Geld jedoch eigentlich nichts anderes sein als "normales" Notenbankgeld, nur eben nicht mehr in Schein- oder Münzform. Dass damit das Bargeld endgültig auf dem Friedhof der Geschichte landet, ist wohl nicht zu erwarten.

Geld im Umlauf

Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich lag der Anteil von Bargeld am Bruttoinlandsprodukt der Eurozone 2010 bei 9,44 Prozent. Das scheint nicht viel. Überlegt man sich, was monatlich an Kosten auf einen zukommt und was man so alles zu bezahlen hat, wird aber schnell klar: Die großen Posten - Miete, Versicherungen, Handyrechnungen usw. - bezahlt man nicht in bar. Die Bezahlung per Plastiksackerl, Aktentasche oder Kuvert ist schon eher im Kriminal als im alltäglichen Leben zu finden.

Mit Stichtag 31. Dezember 2011 waren in der Eurozone jedenfalls 14,9 Milliarden Euro-Banknoten im Wert von 888,6 Milliarden Euro und 97,8 Milliarden Münzen im Wert von 23,1 Milliarden Euro unterwegs. Wie viel davon allein in Österreich in Umlauf ist, lässt sich nicht genau feststellen. 

Cash-Fans

Cash ist und bleibt für die Österreicher die beliebteste Form des Zahlens. Die Bankomatkarte kommt an zweiter Stelle, die Kreditkarte ist nach wie vor weit abgeschlagen. Die Österreicher verwenden Bargeld vor allem für kleinere Beträge, heißt es dazu aus der Nationalbank. Jüngsten Erhebungen der OeNB zufolge geben 84 Prozent der Österreicher mehrmals pro Woche Münzen oder Scheine aus, zehn Prozent einmal wöchentlich. Allerdings wird trotz steigender Anzahl von Bankomatkarten seltener Bargeld bei der Bank behoben, dafür aber öfter an der Ladentheke mit Karte bezahlt. 2011 wurden in Österreich 17,56 Milliarden Euro an Bankomaten abgehoben und 16,5 Milliarden Euro über Bankkartentransaktionen bezahlt.

Den Trend hin zum elektronischen Bezahlen kann man nicht verleugnen. Dem stimmt auch Ökonom Priddat zu. Dass das gesamte Bargeld verschwindet und ausschließlich durch elektronisches Geld ersetzt wird, glaubt er aber nicht. Es werde einen Verdrängungsprozess geben und immer stärker vor allem auf mobile Endgeräte umgestellt werden: "Die Menschen wollen mit einem einzigen Gerät alles erledigen können. Vor allem die Jungen greifen gerne auf ihre Handys zum Bezahlen zurück." Es gibt auch einen weiteren Nutzen: "Geld ist nicht mehr nur Liquidität, bloßer Cash, sondern auf dem Konto jederzeit verzinsbar."

Pilotprojekte, aber auch durchaus erfolgreiche Anwendungsgebiete für das Zahlen per Handy gibt es ja auch schon. Öffi-Tickets oder Parkscheine per SMS oder Smartphone-Anwendungen sind gerne angenommene Alternativen. Anbieter versuchen sich auch daran, die Bezahlung an der Supermarktkassa oder im Kaffeehaus per Smartphone zu etablieren.

Das alles sind Ideen, die sich vor allem an junge bzw. grundsätzlich web- und technikaffine Menschen richten. Aus allen Umfragen lässt sich nämlich auch Folgendes herauslesen: Tendenziell verwenden ältere Personen eher Bargeld als Zahlungskarten. 

Wer trägt die Kosten?

Priddat geht außerdem davon aus, dass die Umstellung auf ein bargeldloses System durchaus mit hohen Kosten verbunden ist. "Da stellt sich dann auch die Frage, wer die Gebühren für die Transaktionen tragen wird." Was mit einer Abschaffung von Bargeld auch wegfalle, sei die "Geldtradition", so Priddat. Schließlich habe Geld auch eine Identifikations- und Wertgrundlage.

Auch die  OeNB gibt zu bedenken, dass es relativ schwierig wird, ein durchgängiges System zu etablieren. Man braucht nicht nur das Handy und die Software, sondern auch Händler, die es akzeptieren. Auch stellt sich die Frage nach den Standards, die für ein flächendeckendes Bezahlen per Handy eingeführt werden müssten. Standards, die nach Ansicht der OeNB eine Fragmentierung und Nationalisierung verhindern sollen. Mit SEPA, dem einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum, schaffe die Eurozone die Voraussetzungen für einen integrierten elektronischen Zahlungsraum, der auch neuen Trends gegegnüber offen sei.

Money, money, money 

In eine ähnliche, wenn auch radikalere Richtung wie die kanadische E-Währung gehen auch die Wünsche des Ex-ABBA-Stars Björn Ulvaeus. Der Schwede setzt sich schon seit längerem für eine völlig bargeldlose Gesellschaft ein. Allem voran für ein bargeldloses Schweden. Dort würden nämlich ohnehin schon viele auf Cash-Zahlungen verzichten. Immer mehr Busse und Straßenbahnen nehmen zum Beispiel kein Bargeld mehr an - Tickets kauft man entweder vorab oder per SMS. Die Zahlung per Karte sei in Schweden allerorts im Vormarsch. Sogar eine Kirche in Südschweden habe für die Kollekte neuerdings ein Kartenlesegerät - Ablass per Kreditkarte quasi.

Die Skandinavier scheinen dem Bargeld langsam Ade zu sagen. Laut dem schwedischen Notenbankchef Lars Nyberg wurden 2010 nur mehr rund drei Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes über Bargeldbewegungen erreicht, in der Eurozone liegt dieser Anteil wie erwähnt bei neun Prozent. Für Nyberg ist das Verschwinden des Bargeldes aber dennoch keine ausgemachte Sache. In einer Rede im vergangenen Jahr meinte der schwedische Notenbankchef, das Bargeld werde überleben - "so wie das Krokodil, auch wenn dessen Lebensraum immer eingeschränkter wird".

Zugang für alle

So gibt auch Ökonom Priddat zu bedenken, dass sich ein Staat bei der Umstellung auf elektronisches Geld auch überlegen müsste, wie sicherzustellen ist, dass auch tatsächlich alle über die Voraussetzungen dafür verfügen. Das fängt schon beim Gerät an: "Eine Regierung kann schließlich nicht alle dazu zwingen, sich ein Smartphone zuzulegen. Außerdem stellt sich die Frage, ob alle das Gerät dann auch bedienen können", so Priddat. Im schlimmsten Fall hieße das, dass gewisse Menschengruppen vom Bezahlsystem ausgeschlossen werden könnten. Das dürfe natürlich nicht der Fall sein. 

Datenschutz?

Datenschutzfragen kommen auch noch aufs Tapet. Bargeld ermöglicht eine völlig anonyme Zahlung, bei elektronischem Geld müsste man sich etwas überlegen. Das ist schließlich auch einer der Gründe, warum die Einschränkung von Bargeldzahlungen bei Korruptionsjägern und Steuerfahndern durchaus auf jede Menge Gegenliebe trifft. Bei Datenschützern dagegen aber nicht. Priddat: "Es gibt da sicher noch Grauzonen. Aber man merkt, dass das Thema von allen möglichen Seiten her beleuchtet wird, da ist also Bewegung in der Diskussion drin."

Kanada hat noch einiges an Arbeit vor sich, bis aus dem kanadischen Dollar ein E-Dollar werden kann. Die Ausschreibung zur Entwicklung der elektronischen Währung hat innerhalb kürzester Zeit so viele Kandidaten angesprochen, dass sich potenzielle Erfinder gar nicht mehr bei der Royal Canadian Mint anmelden können. Im August wird dann der Sieger gekürt. Dem Gewinner des Entwicklerwettbewerbs winkt dann übrigens eine Prämie. In ganz altvatrischem Gold und Goldmünzen. (Daniela Rom, derStandard.at, 26.4.2012)