Jedes einzelne Molekül fluorisziert und wird zum Teil des Interferenzmusters. Die Bilder a)-e) zeigen den Zustand jeweils nach 0, 2, 20, 40 und 90 Minuten.

Foto: T. Juffmann et al

Wien - In der Quantenwelt hat ein Objekt nicht nur Eigenschaften eines Teilchens, sondern gleichzeitig auch Welleneigenschaften - das gilt nicht nur für masselose Teilchen, wie Photonen, sondern auch für Moleküle. Welleneigenschaften massiver Teilchen sind schon lange bekannt, verblüffen aber immer wieder, weil dies völlig der Alltagserfahrung widerspricht. Wiener Physiker konnten nun erstmals den Aufbau eines Interferenzmusters großer Moleküle filmisch ins Bild rücken - ein Phänomen, das als Paradebeispiel für die Quantenphysik gilt. Ihr Quantenfilm soll pädagogischen Zwecken dienen und wurde in der Fachzeitschrift "Nature Nanotechnology" veröffentlicht.

Das quantenphysikalische Phänomen der Welle-Teilchen-Dualität lässt sich am Beispiel von Lichtteilchen (Photonen) illustrieren. Diese verhalten sich einmal als Teilchen, andererseits zeigen sie auch Wellencharakter. Die Welleneigenschaft kann man im Doppelspaltexperiment gut sehen: Schickt man Licht durch zwei enge Spalte, so entstehen auf einem Schirm dahinter sogenannte Beugungsmuster, also helle und dunkle Bereiche. In den hellen Arealen verstärken die Lichtwellen einander, in den dunklen löschen sie sich aus. Die Forscher sprechen dabei auch von Interferenz.

Die Versuchsanordnung

Solche Interferenzmuster erzeugten die Wiener Physiker im Rahmen eines Experiments mit Phthalocyanin-Molekülen, die 58 bis 114 Atome groß sind. Dazu mussten die Wissenschafter "die Moleküle zum Fliegen bringen, beugen und detektieren", wie der Quantenphysiker Markus Arndt vom Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ) an der Universität Wien erklärte. Die komplexeren der im Experiment verwendeten Moleküle sind maßgeschneiderte Farbstoffe, die von der Gruppe um Marcel Mayor von der Universität Basel synthetisiert wurden. Um die Moleküle fliegen zu lassen, wird ein auf nur wenige Mikrometer fokussierter Laser gezielt auf einen Teil der Moleküle gerichtet um sie zu verdampfen. So werden die Teilchen "nur so kurz der Wärme ausgesetzt, dass sie das überleben".

Die verdampften Moleküle fliegen mit Geschwindigkeiten zwischen 100 und 200 Metern pro Sekunde in alle Richtungen davon. Nur ein Teil davon kann genutzt werden: Der Molekülstrahl trifft auf das nur etwa zehn Nanometer dünne Gitter aus Siliziumnitrid, in das von Nanotechnologen um Ori Cheshnovsky der Universität Tel Aviv mit einem fokussierten Ionenstrahl ultradünne Fenster geschnitten wurden.

Unter den von den Forschern geschaffenen Bedingungen treten die Welleneigenschaften der Teilchen in den Vordergrund. Das hat zur Folge, dass ihr Aufenthaltsort nicht mehr klar bestimmbar ist. In diesem Zustand kann man nicht sagen, wo sich das Molekül befindet. "Tatsächlich ist es über mehrere Spalte des Gitters delokalisiert", wie Arndt erklärte. "Wegen der Ununterscheidbarkeit der verschiedenen Wege" durch das Gitter entstehen die Interferenzen und aus dem ungeordneten Molekülstrahl wird das sichtbare Muster.

Hinterlassene Spuren gefilmt

Auf einem hochsensiblen Detektor hinterlassen die Teilchen ihre Spuren in Form von leuchtenden Punkten, die mit einer Kamera eingefangen werden. Mit dieser Methode kann die Position jedes Moleküls mit einer Genauigkeit von rund 10 Nanometern vermessen werden. Man sehe also sowohl den Teilchenaspekt anhand der einzelnen Punkte als auch die Welleneigenschaften aufgrund ihrer Verteilung, so Arndt. Festgehalten wurde das in einem einminütigen Film von Thomas Juffmann und Kollegen, für den es zwei Titelversionen gibt: "Single molecules in a quantum movie" und "Seeing is believing".

Das Vorhaben sei "vor allem als pädagogisches Experiment" gedacht gewesen. "Wenn man so ein Muster sieht, kann man sofort darauf schließen, dass das Molekül im freien Flug delokalisiert war". Es handle sich somit um ein Phänomen, das "ein Paradebeispiel für die Quantenphysik ist". Man habe für die bildliche Darstellung bereits Anfragen von drei Schulbuchautoren, sowie viele Anfragen von Kollegen, die das Video in Universitätsvorlesungen zeigen wollen. Der Film wird auch auf diversen Internetportalen zu sehen sein. (APA/red, derStandard.at, 26.3.2012)