Justizministerin Beatrix Karl will die Verschwiegenheit neu regeln und sorgt damit für einen Aufschrei von Juristen, Journalisten und Opposition.

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Wien - Laut Christian Pilnacek aus dem Justizministerium handelt es sich bei der geplanten Gesetzesänderung um "eine Reaktion auf die Schwerfälligkeit von Ermittlungsverfahren gegen Angehörige von Berufsgruppen, die unter Verschwiegenheitspflicht stehen". Doch genau diese - Anwälte und Journalisten - sowie die Opposition und Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk liefen am Mittwoch gegen eine Novelle der Strafprozessordnung Sturm. Diese wurde vergangene Woche im Ministerrat bereits abgesegnet.

"Offenbar soll in derartigen Verfahren eine Weichenstellung zugunsten der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei vorgenommen werden", sagte Funk im STANDARD-Gespräch. "Das ist ein ganz dicker Hund." Konkret ist eine komplette Neuformulierung der in Paragraf 112 der Strafprozessordnung niedergeschriebenen Rechte von Anwälten und Journalisten, Notaren und Geistlichen, Ärzten und Psychotherapeuten bei Sicherstellung von Aufzeichnungen und Datenträgern vorgesehen. Also dann, wenn die Polizei - etwa in einer Redaktion - auftaucht, um Aktenmaterial oder Festplatten mit Inhalten sicherzustellen, die laut ermittelnder Staatsanwaltschaft verfahrensrelevant sein könnten.

Bisher können Betroffene in diesem Fall unter Berufung auf ihre Verschwiegenheit gegen die Beschlagnahmung Widerspruch einlegen. Dann wird das konfiszierte Material "gesichert", also versiegelt, einem Gericht übergeben. Dieses vereinbart mit Betroffenem und Staatsanwaltschaft einen Verhandlungstermin.

Kein Widerspruchsrecht

In Zukunft nun soll ein beschuldigter Anwalt oder Journalist keinen derartigen Widerspruch mehr einlegen können - nur mehr, wenn er "betroffen", also nicht direkt beschuldigt, wird. Das "gesicherte" Material wird dem ermittelnden Staatsanwalt übergeben, bei dem binnen 14 Tagen im Zuge einer Sichtung explizit anzugeben ist, was von dem Material der Verschwiegenheit unterliegt - also im Verfahren nicht verwendet werden kann - und was nicht.

"Das heißt, dass der Staatsanwalt und sogenannte Hilfskräfte, also auch ermittelnde Polizisten, das gesamte Material sehen werden. Das hebelt die Verschwiegenheit völlig aus. Ich glaube nicht, dass das dem Recht auf ein faires Verfahren laut Europäischer Menschenrechtskonvention entspricht", meint Funk. "Binnen 14 Tagen Akteneinsicht und damit Überblick über das konfiszierte Material zu erlangen, ist praktisch unmöglich", fügt Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags, hinzu.

Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) kann die Aufregung nicht verstehen. "Das ist eine absolute Fehlinterpretation. Natürlich wird das Redaktionsgeheimnis gewahrt. Das Berufsgeheimnis wird durch eine doppelte Absicherung sogar noch gestärkt."

Ein Sprecher von SPÖ-Klubobmann Josef Cap betonte, seine Partei werde dem Entwurf im Justizausschuss am 13. März nicht zustimmen, "so Redaktions- und Anwaltsgeheimnis eingeschränkt werden". Die völlige Umformulierung von Paragraf 112 sei auch für die SPÖ "überraschend gekommen". (afs, bri, DER STANDARD, Printausgabe, 8.3.2012)