Bild nicht mehr verfügbar.

Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach zeigte sich im U-Ausschuss schweigsam zu Zahlungen der Telekom an seine Sekretärin und das BZÖ. Die Justiz ermittelt noch gegen den früheren Politiker.

Foto: APA/Helmut Fohringer

Wien - Im U-Ausschuss zu diversen Korruptionsfällen ist es eine zentrale Frage: Hat Ex-Verkehrsminister Hubert Gorbach Geld von der Telekom genommen, um im Gegenzug eine für den Konzern günstige Verordnung zu erlassen? Gorbach bestreitet die Vorwürfe. Rechtlich gesehen sind sie aber wahrscheinlich ohnehin irrelevant. Darauf machten die Strafrechtler Helmut Fuchs und Gerhard Dannecker sowie der Steuerberater Roman Leitner bei der Präsentation des "Handbuchs Korruption" aufmerksam.

Was nämlich in der öffentlichen Diskussion bisher wenig beachtet wurde: Das Bestechen von Ministern, Landeshauptleuten, Landesräten und Bürgermeistern ist in Österreich seit einer Gesetzesänderung Mitte 2009 weitgehend zulässig. Fuchs sieht darin die "gröbste Lücke" im Korruptionsstrafrecht. Auch vom Europarat gab es dafür schon eine Rüge.

Um die bevorzugte Behandlung der "obersten Ebene" verstehen zu können, muss man sich das Strafrecht näher ansehen. Das Bestechen von Amtsträgern ist schon generell schwer nachweisbar. Erfolgt eine Zahlung nicht für ein ganz bestimmtes Amtsgeschäft, bleibt sie für Geber und Nehmer straflos.

Aber selbst wenn dieser Nachweis gelingt, müsste noch eine "pflichtwidrige" Amtshandlung vorliegen - also etwa ein Verstoß gegen bestehende Gesetze. Damit "pflichtgemäße" Amtshandlungen, die auf Bestechung zurückgehen, nicht automatisch zulässig sind, gibt es für "normale" Beamte noch zusätzliche Verbote im Dienstrecht. Das Problem: Für Minister, Landeshauptleute und Bürgermeister gilt das Dienstrecht nicht.

Die Folge: Man dürfte einem Minister 100.000 Euro für das Erstellen einer Verordnung anbieten. Solange diese nicht an sich rechtswidrig ist oder den Zuständigkeitsbereich des Politikers überschreitet, wäre die Zahlung nicht strafbar. Ähnlich wäre es laut Fuchs, wenn man einem Bürgermeister für das Umwidmen eines Grundstücks Geld anbietet. Solange er keinen Verfahrensfehler begeht, bliebe das Bestechen ohne Folgen. Strafbar wäre es nur, wenn der Politiker aktiv die Schmiergelder einfordert.

Für Gorbach ebenfalls von Relevanz: Im Strafrecht gilt das Günstigkeitsgebot. Sprich: Selbst wenn die Bestechung zum vermuteten Tatzeitpunkt (2006) strafbar war, muss jetzt die günstigere Rechtslage angewendet werden.

Auffallend ist beim nun kritisierten Gesetzestext: Im ersten Entwurf waren die Spitzenpolitiker noch erfasst. Im Justizausschuss wurden dann von den Justizsprechern von SPÖ und ÖVP, Hannes Jarolim und Heribert Donnerbauer, entsprechende Änderungen vorgenommen.

Die Entschärfung der Anti-Korruptionsbestimmungen war schon damals umstritten. Der von Ex-Ministerin Claudia Bandion-Ortner entfernte Sektionschef Wolfgang Bogensberger beklagte, dass "den unverblümt offen vorgetragenen Wünschen von potenten Anfütterern und den von ihnen finanziell abhängigen Einrichtungen" ... "allzu bereitwillig entsprochen" worden sei. Außerdem sei der erste Entwurf "außer Haus" vorbereitet worden, die Experten des Ministeriums hätten nur mehr "die ärgsten handwerklichen Defizite" beseitigen können.

Österreich als Lachnummer

Die Qualität der Antikorruptionsregeln bzw. die Effizienz des gesamtes Systems beklagen auch Fuchs und Leitner. "Da ist Österreich eine Lachnummer", sagt Wirtschaftsprüfer Leitner. So sei beim im Vorjahr eingeführten Straftatbestand "Abgabenbetrug" in der Praxis unklar, für welche Delikte er gelte. Die Koordination zwischen Finanz, Polizei und Justiz sei mangelhaft.

Wenn die Steuerprüfer auf dubiose Zahlungen stoßen, würden sie sich oft mit Strafzahlungen zufriedengeben, ohne den Empfängern weiter nachzugehen oder die Sache an die Justiz weiterzuleiten. Die "breitflächige Verfolgung" fehle noch immer, darüber hinaus müsse man Ausstiegswilligen auch im Strafrecht die Möglichkeit von Selbstanzeigen, verbunden mit tätiger Reue, einräumen. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2012)