Gary (Jason Segel) und sein Puppenbruder Walter teilen ein Zimmer ebenso wie die Weihnachtsgeschenke.

Foto: Disney Enterprises

Wien - In Filmen sind kleine Korrekturen an der Wirklichkeit leicht anzubringen: Man muss einfach nur so tun, als wäre es nichts Besonderes, wenn ein erwachsener Mann namens Gary sein Jugendzimmer mit einer sprechenden Stoffpuppe teilt, die sich Walter nennt. Das funktioniert dann schon, und überdies hat man gleich Stoff für eine herzergreifend schöne Gesangsnummer, die die Entscheidungsfrage, "Man or Muppet?", reflektiert.

Bei dieser Ausgangslage bleiben Gary (Jason Segel) und seine Verlobte, die Grundschullehrerin Mary (Amy Adams), natürlich selten unter sich. Bei der Reise aus ihrem Heimatstädtchen Smalltown nach Los Angeles, anlässlich ihres zehnten Jahrestags als Paar, werden sie von Walter begleitet. Die Besichtigung des ehemaligen Muppet-Studiogeländes findet sogar eigens seinetwegen statt.

Als sich während dieser Tour zufällig herausstellt, dass der wirklich böse Geschäftemacher Tex Richman (Chris Cooper) die gesamte Anlage einebnen will, wird der romantische Ausflug zugunsten einer spontanen Rettungsaktion aufgegeben: Punkt eins ist das Aufspüren der Muppet-Veteranen, Punkt zwei das Organisieren einer originalen Muppet Show, mit deren Erlös Richman beim Erwerb des Studios ausgebootet werden soll.

Das neue Kinoabenteuer von Jim Hensons legendären Figuren, die zuerst von 1976 bis 1981 im Fernsehen Furore machten und seit 2004 zum Disney-Imperium gehören, folgt somit der Struktur eines klassischen Backstage-Musicals: Ein solches erzählt immer davon, wie man es gegen alle Hindernisse und jede Logik schafft, eine Show aufzuziehen. Eigentlich wird so rund ums ursprüngliche Muppet Show-Gerüst (ein Abend auf und hinter der Varietébühne) bloß ein etwas erweitertes Umfeld gezimmert.

Derart sinnfällige, auf eine gute Art einfache Entscheidungen prägen den Charakter des gesamten Unternehmens. Jason Segel tritt hier nicht nur als eine Art Wiedergänger von Entertainer Dick van Dyke im hellblauen Anzug auf. Der US-Schauspieler, der als Darsteller seit der Highschool-Serie Freaks & Geeks in vielen Filmproduktionen von Judd Apatow mitwirkte, hat sich diese Rolle als erklärter Muppet-Fan selbst auf den Leib geschrieben - gemeinsam mit Nicholas Stoller (Männertrip u. a.). Regisseur James Bobin, der zuvor unter anderem die Fernsehshows der menschlichen Fantasiefigur Ali G verantwortet hat, komplettiert das Team.

Gute Unterhaltung für alle

Ihr Film ist ein Film für die inzwischen erwachsenen Muppet-Fans der ersten Stunde. Eine gewisse Vertrautheit mit den Figuren, ihren Eigenschaften und Allüren sowie ihren (konfliktreichen) Beziehungen zueinander erhöht den Reiz. So muss Miss Piggy, nun gefürchtete Übergrößenredakteurin bei der französischen Vogue, erst davon überzeugt werden, wieder mit Kermit dem Frosch zusammenzuarbeiten.

Die Muppets ist aber auch ein Kinderfilm, der diesen Namen verdient, weil er den jüngsten Kinogehern neben einer menschenfreundlichen und kapitalismuskritischen Botschaft auch einen angenehm verlangsamten Erzählduktus bietet. Außerdem die sattesten Primärfarben seit langem, liebevolle Amateurtanzeinlagen und Musiknummern, die ein bisschen nach der Wertarbeit eines Randy Newman klingen (und in denen Segel seine Crooner-Qualitäten unter Beweis stellt). Jene Zeit, aus der die Muppets stammen, wird insgesamt nicht vordergründig beschworen, sondern klingt eher in solchen ästhetischen Entscheidungen an.

Und auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass ausgerechnet ein Kunstpfeifer heute noch die Showwelt retten könnte: Wenigstens im Kino müssen solche kleinen Korrekturen an der Wirklichkeit möglich sein. (Isabella Reicher, DER STANDARD - Printausgabe, 18. Jänner 2012)