Sehr geehrte Frau Ministerin! Als eine von mir bisher in Ihrem Wirken geschätzte Ressortleiterin enttäuscht mich Ihre Politik in Sachen LehrerInnen- bzw. PädagogInnenbildung neu einigermaßen: Obwohl Sie hier die Gelegenheit hätten, mit dem Koalitionspartner - in Gestalt unseres Exrektors und Ministers Töchterle - einmal an einem Strang zu ziehen, ohne weltanschauliche Rückgratgefährdungen zu riskieren (wie etwa beim Neologismus "Neue Mittelschule" ...), tun Sie beharrlich das Gegenteil: Ginge es nach Ihnen, soll die (Aus-)Bildung von Lehrern, ja auch von Elementar- und Sozialpädagogen (die "PädagogInnenbildung neu") nicht - wie in fast ganz Europa bewährt - an der Universität als höchster Bildungseinrichtung stattfinden, sondern an neu aufgemöbelten alten Bildungseinrichtungen: den sogenannten "Pädagogischen Universitäten".

Ich fürchte, dass Sie hier einer gewissen Ressortblindheit aufsitzen, weil die "Pädagogischen Hochschulen" (PHs), die hier bevorteilt werden sollen, in Ihr Ressort und den Machtbereich Ihrer Partei fallen. Dabei gibt es genügend (auch PH-interne!) Kritiker/-innen, die meinen, dass die PHs noch nicht einmal den letzten Etikettenwechsel (manche reden gar von -schwindel!) von den "Akademien" zur "Hochschule" verkraftet haben - und schon droht (aus meiner Sicht) die nächste Umtaufe: "Pädagogische Universitäten"!

Ich gehöre - wohlgemerkt - zu jenen Universitätsleuten, die den Fachhochschulen und auch manchen PHs sehr kooperativ gegenüberstehen und die auch schon mit PH-Kollegen geforscht haben. Und gerade diese Kooperationen ermöglichten mir einen Einblick - den kritische PH-Insider übrigens teilen: Was an den "Pädaks" und PHs bei der Personalrekrutierung (teils ausschließlich Lehrerinnen) bezüglich fachlicher und handlungsbezogener Ausrichtung jahrzehntelang üblich war, hat mit Wissenschaft und damit mit Universität nichts zu tun; was ja noch nichts Schlechtes ist - aber doch etwas Reformbedürftiges.

Seltsame "Aufwertung"

Nichtakademische Lehrende, die ihrerseits Akademiker/-innen ausbilden sollen, recht eng auf Schule (und nur auf Schule) konzentrierte humanwissenschaftliche Kompetenzen usw. sind nicht einfach in ein paar Jahren zu überwinden, wie Sie meinen, sondern sollten für eine "neue" Lehrer- und Pädagogenbildung ehebaldigst der Vergangenheit angehören.

Ihr Beharren auf "Pädagogischen Universitäten" als führenden Institutionen entwertet zugleich die Pädagogenbildung: Diese "umgemascherlten" Hohen Schulen werden unweigerlich "Universitäten zweiter Klasse" bleiben. Die Medizin-Unis - hier gerne als Vergleich angeführt - sind wegen ihrer großen Tradition als Uni-Fakultäten ein schlech- tes Beispiel! Wozu also diese pseudouniversitäre Zweitklassigkeit und warum zu diesen wichtigen Berufen - wohl auch kostengünstiger! - nicht an den führenden Bildungsinstitutionen ausbilden?

Darüber hinaus ist bekannt, dass gute Lehrer/-innen glühende Vertreter ihres Faches sein sollten, wollen sie Kinder und Jugendliche dafür begeistern. Dieses "Glühen" setzt einen hohen fachlichen Standard voraus, den letztlich nur die Universität garantieren kann. Natürlich muss nicht jeder Lehrer ein kleiner Forscher werden; aber nur eine Kombination von Forschung und Lehre, wie die PHs sie in vielen Fächern nie bieten können, führt zu wissenschaftlicher Neugier und zu Enthusiasmus, wie sie gute Lehrer/-innen benötigen.

Eines der wichtigsten Argumente gegen "Pädagogische Universitäten" ist, dass hier von Kindheit an bis zur eigenen Ausbildung eine "Monokultur" verfestigt würde, die schon bisher problematisch war und ist: Kaum ein Beruf ist derart biografisch verankert und belastend wie jener der Lehrer/-innen (man sehe nur auf die Burnout-Rate!). Mit keiner anderen Ausbildung schließen die Betroffenen so unmittelbar an ihre eigene Kindheit an wie mit dieser: Jeder schleppt seine eigenen (teilweise problematischen) Schulerfahrungen vom Schuleintritt weg mit sich herum. Und eben noch vor der Matura gezittert, stehen sie dann als Lehrer/-innen wieder in bzw. vor der Klasse ...

Raus aus der Monokultur!

Dies verlangt nicht nur eine reflexive Persönlichkeitsbildung, sondern auch ein Aufbrechen dieser biografischen Kontinuität, wie sie in eigenen "Lehrer-Unis" schwer möglich ist, weil diese in Fortsetzung der eigenen Schullaufbahn deren monokulturelle Prägungen fortschreiben: nur nichts von draußen reinkommen lassen; immer nur im eigenen (Schul-)Saft braten; zu wenig Distanz zum eben erst selbst Erlebten; Gegebenes leichter hinnehmen ... Genau das sind ja häufige Probleme im Lehrerberuf: Unbeweglichkeit, Reformmüdigkeit, ängstliches Beharren, hierarchiegerechte Folgsamkeit.

Wer hingegen schaut, was Lehramtsstudierende aller Schulstufen etwa an der Universität Frankfurt als Prüfungsfächer wählen können, dem wird bewusst, was Lehrerbildung noch sein könnte: "Gewalt in der Schule", "Demokratie und Demokratietheorie", "Geschlechterverhältnisse und Familienpolitik" u. a. m.

Diese Offenheit und Vielfalt von Bildung, so meine ich, müssen wir von einer wirklich neuen Pädagogenbildung erwarten - und dies kann nur die Universität mit ihren verschiedenen Fakultäten bieten. Wer verhindert, dass die Lehrerbildung endlich auch in Österreich universitär wird, und zwar von der Krippe bis zur Erwachsenenbildung, wer vereitelt, dass die Pädagogischen Hochschulen langsam in die Universität hineinwachsen können und damit selbst aufgewertet werden, verhindert zugleich die bestmögliche (Aus-) Bildung für jene Berufe, die für unsere Gesellschaft ungleich wichtiger sind, als wir es ihnen heute zugestehen. Das können Sie doch nicht wirklich wollen? (Josef Christian Aigner, DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2012)