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Kairo - Trotz des rigorosen Vorgehens der Sicherheitskräfte haben sich die Demonstranten auch am Montag nicht aus der Kairoer Innenstadt vertreiben lassen. Bereits den vierten Tag in Folge flogen rund um den Tahrir-Platz Steine. Nach Angaben von Augenzeugen lieferte sich ein harter Kern von rund 400 Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei.

Anschlagsplan auf Parlament

Ärzte berichteten, dass seit Freitag insgesamt 13 Menschen ums Leben gekommen seien. Hunderte wurden verletzt. Der in Ägypten regierende Militärrat will unterdessen einen Anschlagsplan auf das Parlament in Kairo aufgedeckt haben. Der Plan habe zum Ziel, das Gebäude der Volksversammlung in Brand zu setzen, sagte Militärratsmitglied, General Adel Emara, am Montag. Für die Mitteilung unterbrach er eigens eine Pressekonferenz, nachdem er einen Anruf bekam, in dem er nach eigenen Angaben über den Anschlagsplan informiert wurde. Der General fügte hinzu, "die Massen auf dem Tahrir-Platz" seien "bereit, diesen Plan auszuführen".

Fünf Menschenrechtsorganisationen haben derweil am Sonntag in einem gemeinsamen Statement dem Militär vorgeworfen, gezielt gegen weibliche Aktivisten vorzugehen. Im Internet kursiert derzeit ein Video, das eine Aktivistin zeigt, während sie von Armeeangehörigen verprügelt wird. Durch die Schläge löst sich ihr Schleier, die junge Frau bleibt halb entblößt im BH auf der Straße liegen. Die Soldaten prügeln noch einmal auf sie ein, bis sie irgendwann doch von ihr lassen und ihren Oberkörper wieder verdecken. Das Video machte in diversene sozialen Netzwerken mit dem Titel "Blue Bra" die Runde.

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Sexuelle Gewalt wird vermehrt strategisch gegen weibliche Demonstranten eingesetzt, kritisieren diverse lokale Menschenrechtsaktivisten. Soldaten würden Demonstranten nicht nur verprügelt, sondern darüber hinaus öffentlich entblößen und unsittlich berühren. Der Name der Aktivistin ist bekannt, sie möchte allerdings anonym bleiben. "Es ist völlig egal, ob ich mit der Presse rede, die Bilder des Übergriffs sprechen für sich. Sie sollten reichen, um das Militär zu überführen und alle aufzuklären, die immer noch an die Armee glauben", sagte sie dem britischen "Guardian".

Vergangenen März etwa wurde die Armee beschuldigt, festgenommene Demonstrantinnen sexuelle missbraucht und "Jungfräulichkeitstests" bei ihnen durchgeführt zu haben. Die Armee kündigte daraufhin an, die Anschuldigungen zu überprüfen, bisher gab es allerdings keinerlei weitere Informationen darüber.

Auf Youtube haben Aktivisten Playlists mit Videos, die die Gewalt gegen Demonstranten zeigt, erstellt.

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Kritik am Vorgehen der Sicherheitskräfte

Der aus Ägypten stammende und in den USA forschende Nobelpreisträger Ahmed Zeweil zeigte sich in einer TV-Ansprache, die am Montag von lokalen Medien abgedruckt wurde, entsetzt über das Chaos in seiner alten Heimat. Es sei sehr bedauerlich, dass sich Schläger unter die Demonstranten gemischt hätten, sagte er.US-Außenministerin Hillary Clinton hat die ägyptischen Sicherheitskräfte zu einem Ende ihres gewaltsamen Vorgehens gegen Demonstranten aufgerufen. Sie fordere die ägyptischen Sicherheitskräfte auf, "die universellen Rechte aller Ägypter zu respektieren und zu schützen, einschließlich des Rechts auf friedliche, freie Meinungsäußerung und Versammlung", erklärte Clinton am Sonntag (Ortszeit) in Washington. Sie sei "zutiefst besorgt", fügte die US-Außenministerin hinzu.

Clinton forderte die ägyptische Führung auf, diejenigen, die für die Verletzung dieser Rechte verantwortlich seien, zur Rechenschaft zu ziehen, "auch die Sicherheitskräfte". Sie rief auch die Demonstranten auf, von Gewalt abzusehen. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat den ägyptischen Sicherheitskräften vorgeworfen, mit exzessiver Gewalt gegen Demonstranten vorzugehen. In einer am Sonntag verbreiteten Erklärung seines Büros forderte Ban die Führung des nordafrikanischen Landes auf, Zurückhaltung zu üben und die Menschenrechte zu achten.

UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay hat die "brutale Unterdrückung" der Demonstranten in Ägypten verurteilt. "Die Bilder von Demonstranten, darunter auch Frauen, die brutal geschlagen und angegriffen werden, sind zutiefst schockierend", erklärte sie am Montag.

Islamisten nehmen nicht an Protesten teil

Die Islamisten, die während der Massenproteste gegen Präsident Hosni Mubarak Anfang des Jahres noch mit linken und liberalen Regimegegner zusammen demonstriert hatten, beteiligen sich nicht an der aktuellen Protestwelle. Diese richtet sich gegen den Obersten Militärrat, der die Macht von Mubarak übernommen hatte und gegen die von den Militärs eingesetzte Übergangsregierung.

In der ersten und zweiten Etappe der Parlamentswahl, die am 28. November begonnen hatte und bis zum 10. Jänner andauern wird, liegt die Partei der Muslimbrüder vorne. Sie selbst bezeichnet sich als "moderat-islamisch" bezeichnet. Auf dem zweiten Platz wählten die Ägypter laut Umfragen bisher die Partei der radikalen Salafisten (Partei des Lichts). Die Stichwahl der zweiten Etappe beginnt am Mittwoch.

Nach Auszählung von elf der 15 Wahlbezirke kommt die Partei Freiheit und Gerechtigkeit der gemäßigten Muslimbrüder nach eigenen Angaben auf rund 40 Prozent der Stimmen. Die ultra-konservativen Salafisten hätten etwa 35 Prozent erhalten, sagte ein Parteisprecher am Sonntag. In der ersten Runde stimmten 37 Prozent der Wähler für die Muslimbrüder, 24 Prozent für die Salafisten. (fin/APA/Reuters, derStandard.at, 19.12.2011)