Seit dem Rücktritt von Christine Marek war der Obmann-Sessel der Wiener VP verwaist. Manfred Juraczka hat nun danach gegriffen und wurde am Montagabend mit 85 Prozent als Parteichef nominiert.

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Die Wiener VP hat Manfred Juraczka ohne Gegenkandidaten zum Parteichef nominiert. Er möchte die Partei als bürgerliches Gegenmodell zur "rot-grünen Bevormundung" positionieren.

Wien – Nein, ein Notnagel sei er keinesfalls, erklärte Manfred Juraczka am Montagabend, nachdem er mit 85,11 Prozent vom Parteivorstand der Wiener VP zum Obmann nominiert worden war – "das ist ein tolles Votum" . Immerhin wurde rasch gewählt, ohne vorherige Wortmeldungen in dem rund 60-köpfigen Parteigremium.

"Es ist Zeit, dass sich was ändert, in der Partei, aber auch in der Stadt" . Seine Partei müsse ein bürgerliches Gegenmodell zu der "rot-grünen Bevormundung" sein. Etwa beim Verkehr, wo es "kein gutes oder schlechtes" Verkehrsmittel gebe. Außerdem müssten Eltern weiterhin die Wahl haben, in welche Schulform sie ihre Kinder geben. "Und es ist die Aufgabe der öffentlichen Hand, sparsamer mit Förderungen umzugehen, auch bei der Eigenwerbung für die Stadt, bevor man Gebühren erhöht."

Dass Juraczka, der Wolfgang Gerstl nach dessen Wechsel in den Nationalrat als nicht amtsführender Stadtrat gefolgt ist, künftig die Stadtschwarzen aus dem Tief holen soll, galt bereits seit einiger Zeit als fix – der Standard berichtete. Auch wenn Klubchef Fritz Aichinger stets betont hatte, dass es "mehrere Interessenten" gebe, war längst offensichtlich, dass es um den Obmann-Sessel kein wirkliches Gerangel gibt.

So hatte die interimistische Parteichefin, die Nationalratsabgeordnete Gabriele Tamandl, die bis zum Landesparteitag am 25. Februar weiter die Geschäfte führen wird, gleich bei ihrer Bestellung im September klar gestellt, dass sie kein Interesse am Parteivorsitz hat. Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz hatte ebenso abgewunken wie Staatssekretär Wolfgang Waldner.

Brigitte Jank, die Präsidentin der Wiener Wirtschaftskammer, wollte mit Othmar Karas einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken. Der Leiter der ÖVP-Delegation im EU-Parlament hatte im Standard-Gespräch seine Bedingungen formuliert: Ein volles Durchgriffsrecht bei der Personalauswahl, das Bekenntnis zu einem modernen Pro-Europa-Kurs sowie eine Funktion in der Wiener Stadtregierung oder in der Bundesregierung. Tamandl, die ebenfalls Gespräche mit Karas geführt hatte, sagte, dass "er sich damit keinen guten Dienst erwiesen hat" . Kurz darauf ließ Karas über einen Sprecher mitteilen, dass er nicht mehr zur Verfügung stehe.

Für Juraczka sei es ein denkbar schlechter Start, konstatiert Politikexperte Thomas Hofer. Der designierte VP-Landesparteichef gehe mit dem Nimbus in sein Amt, dass einfach kein anderer da gewesen sei. Hofer: "So einen Start hat niemand verdient." Der ÖAABler Juraczka müsse nun die Machtbalance innerhalb der Partei wieder herstellen, "es ist unwahrscheinlich, dass sich der Wirtschaftsbund mit dem Klubobmann allein zufrieden gibt."

Vier neue Stellvertreter

Das versucht Juraczka nun mit seinen Stellvertretern abzufangen. Neben JVP-Chef Kurz und Seniorenbundobfrau Ingrid Korosec sowie Veronika Mickel und Wolfgang Gerstl, die beide zum ÖAAB gehören, holte er mit Gemeinderätin Isabella Leeb und Wirtschaftsbunddirektor Alexander Biach zwei Vertreter des Wirtschaftsflügels in sein Team. Bis auf Korosec, die vom Parteivorstand nur mit knapp 66 Prozent gewählt wurde, fuhren Juraczkas Stellvertreter teils deutlich bessere Ergebnisse ein: Gerstl 85,1 Prozent, Biach 89,4 Prozent, Leeb 95,8 Prozent, Mickel 97,9 Prozent und Sebastian Kurz erhielt sogar 100 Prozent der Stimmen. (Bettina Fernsebner-Kokert/DER STANDARD, Printausgabe, 13.12.2011)