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Johan Cruyff am Sonntag auf dem Weg zum Ajax-Mitgliederrat. Er sieht sein Reformwerk beim niederländischen Renommierklub von seinen Aufsichtsratskollegen hintertrieben.

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1996 warf Edgar Davids dem damaligen niederländischen Teamchef Guus Hiddink während der Europameisterschaft in England Rassismus vor. Hiddink solle "seinen Kopf aus dem Arsch einiger Spieler nehmen" sagte Davids damals. Einer von den Einigen war Frank de Boer, heute Chefcoach bei Ajax und Angehöriger der Cruyff-Fraktion.

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De Boer bereitet dieser Tage eines der jüngsten Ajax-Teams aller Zeiten auf die vorentscheidende Auseinandersetzung der Champions-League-Gruppenphase mit Olympique Lyon vor.

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Amsterdam – Die Ajax-Soap geht weiter. Und wie. Die Konfrontation zwischen Funktionären des niederländischen Fußball-Rekordmeisters und Klub-Ikone Johan Cruyff um die Bestellung von Louis van Gaal zum Generaldirektor zieht sich nun schon seit Tagen in aller Öffentlichkeit hin. Jetzt ist sie um eine Facette reicher. Cruyff soll Edgar Davids rassistisch beleidigt haben. Davids ist wie der Altstar Mitglied im Aufsichtsrat (RVC) des Klubs und er sitze dort nur "wegen seiner Hautfarbe". Dem nicht genug, stehen die Amsterdamer ab sofort auch ohne Vorstand da. Das Gremium um Präsident Uri Coronel trat am Montag zurück, seit März hatte es nur noch kommissarisch amtiert.

Während Davids selbst nur in allgemeinen Worten über den Vorfall sprach, der sich bereits letzten Sommer ereignet haben soll, bestätigte Aufsichtsrats-Vorsitzender Steven Ten Have gegenüber der Zeitung De Volkskrant die Wortwahl Cruyffs. Auch eine Aufnahme auf Band soll es geben. Um seine Aussage zu relativieren, soll Cruyff dann gleich auch noch über Marjan Olfers hergezogen sein. Ebenfalls Mitglied des fünfköpfigen Gremiums und – eine Frau. "Das machte alles nur noch kränker", sagt Ten Have.

Die neue Eskalationsstufe wurde gezündet, nachdem am Sonntagabend eine mehrstündige Krisensitzung des Mitgliederrates ergebnislos zu Ende gegangen war. Dabei sollte den vier Aufsichtsräten (neben Ten Have, Davids, Olfers auch noch Paul Römer) Gelegenheit gegeben werden, zu erläutern, warum sie hinter dem Rücken Cruyffs Verhandlungen mit Van Gaal aufgenommen hatten. Und zwar im Wissen, das sich die beiden Alphamännchen nicht riechen können. Cruyff hatte das Spannungsverhältnis zwischen ihm und dem ehemaligen Bayern-Trainer im niederländischen Fernsehen kürzlich so umschrieben: Fußballer sind kreativ und gebrauchen vor allem ihre linke Gehirnhälfte. Andere verwenden hauptsächlich die rechte. Man stamme also quasi von verschiedenen Planeten.

Es sei eine emotionale Tagung gewesen, meinte der Vorsitzende des Mitgliederrates Rob Been junior. Die betroffenen Parteien seien danach nicht zusammen zum Barbecue gekommen. Cruyff wohnte der Zusammenkunft in seiner Funktion als Ehrenmitglied bei und hatte ebenfalls das Wort ergriffen. Allerdings ging das Gremium auseinander, ohne zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Eine Abstimmung über das Vorgehen der Viererbande wurde auf den 28. November verschoben – zur Enttäuschung von Cruyff, der sich eine schnelle Entscheidung gewünscht hatte. Das Ergebnis wird der Aktionärsversammlung am 12. Dezember vorgelegt. Sie kann den gesamten Aufsichtsrat oder einzelne Mitglieder entlassen. Mit seiner Meinung hielt der 64-Jährige aber wie gewohnt nicht hinter dem Berg: "Mit diesem Aufsichtsrat will ich nicht weiterarbeiten." Das Gremium müsse sich jetzt überlegen, was das Beste für den Klub sei.

Cruyff sieht seine Mission bei Ajax jedenfalls in Gefahr. Er war im Frühjahr angetreten, um den ruhmreichen Verein wieder zurück an die europäische Spitze zu führen. Sein zu diesem Zweck ausgearbeiteter und von den Vereinsgremien unterstützter Strategieplan umfasste unter anderem die Neuausrichtung der Nachwuchsarbeit, sowie das verstärkte Nutzen von Fußballsachverstand im Verwaltungsbereich. Seitdem konnte eine Reihe von ehemaligen Ajacieden für die Mitarbeit gewonnen werden. Auch Persönlichkeiten für die Position des Generaldirektors vorzuschlagen, gehört zu seinen Aufgaben. Renommierte Leute wie Guus Hiddink und Marco van Basten waren im Gespräch, fanden aber offenbar nicht die Zustimmung der Aufsichtsratskollegen Cruyffs. Für den Fall einer Niederlage in der laufenden Auseinandersetzung hat die legendäre Nummer 14 ihren – diesmal wohl endgültigen – Rückzug bereits angekündigt.

Cruyff weiß Trainerstab und Öffentlichkeit hinter sich. Nachdem die Coaches der Ajax-Fußballschule De Toekomst (die Zukunft) damit gedroht hatten, den Verein gemeinsam mit ihm zu verlassen, war es am Samstag beim Meisterschaftsspiel gegen Breda zu eindrucksvollen Unterstützungsbekundungen von seiten der Fans gekommen, die sich mit Sprechchören und Transparenten auf die Seite ihres Idols schlugen. In Internetforen riefen manche gar zu einer Neugründung des Klubs auf, sollte König Johan künftig ohne Land sein. Den Aufsichtsratschef Ten Have focht das jedoch nicht an. In einer bemerkenswerten Form von Realitätsverweigerung interpretierte er die Kundgebungen pro Cruyff als ganz in seinem Sinn: "Das ist gut. Wir wollen Johan ja auch!" Allerdings wolle man auch Van Gaal. Die beiden müssten im Interesse des Klubs ihre Egos hintanstellen und das Kriegsbeil begraben, meinte Ten Have und outete sich so als offenbar wundergläubig.

Davids, unter dem Trainer Van Gaal Teil jener Ajax-Elf, die 1995 die Champions League gewann, meinte: Er habe konstruktiv an der Benennung eines neuen Direktors mitgearbeitet und sogar die Kandidatur Van Bastens unterstützt, obwohl er nicht dessen Freund sei. Ab und zu bereue er, Aufsichtsrat geworden zu sein. "Hier passieren Dinge, die man sonst nur im Film sieht", sagte Davids. Cruyff hingegen hatte kritisiert, dass der ehemalige Nationalspieler im RVC angebliche Probleme in der Trainingsabeit der Jugendtrainer angesprochen hatte, während er gleichzeitig bei eben diesen Betreuern hospitiere. So ein Verhalten sei unmöglich, sagte Cruyff. Fassungslos zeigte sich angesichts des Hauen und Stechens Michael van Praag, Ehrenvorsitzender und 14 Jahre lang an der Spitze der Amsterdamer: "Es ist skandalös, wie diese Menschen miteinander umgehen."

Louis van Gaal hat unterdessen bei seinem ehemaligen Arbeitgeber Bayern München um die Freigabe aus seinem noch bis Ende Juni 2012 laufenden Vertrag gebeten. Er könnte so bereits mit Jahresanfang sein neues Amt bei Ajax übernehmen. Sollte darüber keine Einigung erfolgen, soll Van Gaal darauf bestanden haben, bis Sommer keine Einkommenseinbußen hinzunehmen. Sein Gehalt bei den Bayern soll um ein Vielfaches höher sein als sein Salär in Amsterdam. Zur Zeit befindet er sich mit seiner Frau auf einer mehrwöchigen Urlaubsreise in Asien.

Fußball gibt's auch

Dass Ajax auch eine Fußballmannschaft hat, die vor einem enorm wichtigen Spiel steht, geht bei all dem Durcheinander beinahe unter. Am Dienstag kämpft das Team von Frank de Boer bei Olympique Lyon um den Einzug in das Achtelfinale der Champions League. "Ich hoffe, die Mannschaft lässt sich von dem Theater nicht verrückt machen", sagte der Trainer. Schon ein Unentschieden in Frankreich brächte Ajax, das bei zwei ausständigen Matches drei Punkte vor Olympique liegt und die deutlich bessere Tordifferenz aufweist, in eine hervorragende Ausgangsposition.

Allerdings gibt es auch auf dem sportlichen Feld Probleme. In der Liga läuft es schlecht, zehn Punkte liegt man nach dem enttäuschenden 2:2 gegen Breda bereits hinter Spitzenreiter Alkmaar. Dazu kommt Verletzungspech. Aufgrund von mehreren Ausfällen stehen nicht weniger als fünf Teenager im Aufgebot von De Boer. (Michael Robausch, derStandard.at 23.11. 2011)