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London/Wien - Die Uhr der Stiftung Weltbevölkerung (www.weltbevölkerung.de) dreht sich nicht, sondern zeigt im Sekundentakt eine ziemlich große Zahl an, die in einen Satz eingebettet ist. Am Freitagnachmittag lautete die Anzeige eine Sekunde lang: "Im Augenblick leben 6.995.396. 642 Menschen auf unserem Planeten." Eine Minute später waren es 158 Menschen mehr. Genau 24 Stunden später sind 227.252 Menschen dazugekommen.

Die Weltbevölkerungsuhr ist mit Daten der Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen (UNO) und des US-amerikanischen Population Reference Bureau (PRB) gespeist. Und sie ist so getaktet, dass sie am 31. Oktober die Sieben-Milliarden-Schwelle überschreiten wird. Doch ist es wirklich schon so bald so weit? Dahinter steckt freilich eine noch wichtigere Frage: Wie lange wird die Weltbevölkerung so schnell weiterwachsen?

Wolfgang Lutz und sein Kollege Sergei Scherbov vom Institut für Demografie der ÖAW und vom Weltbevölkerungsprogramm des Iiasa in Laxenburg haben Zweifel an den Daten: Die beiden international renommierten Demografen vermuten im Fachblatt "New Scientist", dass die UNO aus politischem Druck die großen Unsicherheiten rund um die Bevölkerungszahlen und einige rezente Entwicklungen nicht berücksichtige.

Nach ihren Berechnungen werde das siebenmilliardste Baby wohl nicht vor Anfang 2013 geboren werden. Ja, es könnte sogar sein, dass diese Grenze gar erst im Jahr 2020 erreicht wird. Hania Zlotnik, Leiterin der Bevölkerungsabteilung der UNO, räumt ein, dass es gewisse Unsicherheiten gebe, hält aber an den Daten fest. Abweichungen von ein paar Monaten seien vertretbar.

Warum aber zweifeln die Wiener Bevölkerungswissenschafter am schnellen Wachstum? Die Wiener Forscher gehen davon aus, dass die Fruchtbarkeit der Frauen weltweit stärker sank, als die UNO meint. Chinesische Daten etwa legen nahe, dass die Fruchtbarkeitsrate dort nur 1,2 Kinder pro Frau beträgt. Die UNO rechnet hingegen mit 1,5. Indien wird laut UNO 2050 1,7 Milliarden Einwohner haben und damit das bevölkerungsreichste Land der Erde sein. Lutz und Scherbov prognostizieren hingegen 1,4 Milliarden.

Diesen Berechnungen kommen höchste Bedeutung zu, zumal es um die Zukunft des Planeten geht. Und die sehen Lutz und Scherbov etwas rosiger als die UNO. Die schätzt nämlich, dass wir 2100 mehr als zehn Milliarden Planetenbewohner haben und weiter wachsen werden. Die Wiener Forscher gehen davon aus, dass es erstens weniger sind und zweitens, dass unsere Zahl dann längst schon wieder sinkt. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 15./16. 10. 2011)