In dieser Schale einer Meeresschnecke bewahrten unsere Vorfahren Farbe auf.

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Panorama der Blobos-Höhle 300 km östlich von Kapstadt. Hier entdeckten Archäologen die Austattung einer mittelsteinzeitlichen Malwerkstatt.

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London/Wien - Die ersten Zeugnisse menschlicher Malkunst finden sich in französischen Höhlen: die Malereien in der Chauvet-Höhle sind mit 32.000 Jahren die ältesten. Der deutsche Filmemacher Werner Herzog durfte sie als erster und wohl auch letzter Mensch vor einiger Zeit filmen; das im Vorjahr veröffentlichte Ergebnis ist die spektakuläre 3-D-Dokumentation Cave of Forgotten Dreams.

Seit wann aber verwendet Menschen Farben, um damit sich oder andere Objekte zu bemalen? Und wann wurde systematisch mit der Farbherstellung begonnen? Im Fall der Farbe Ocker, die auch in den französischen Höhlen zur Anwendung kam, wurden die bisher frühesten Funde immerhin auf ein Alter von 60.000 Jahre datiert.

Steinzeitliche Malwerkstatt 

Eine spektakuläre Entdeckung in Südafrika verlegt die Anfänge der Farbherstellung nun noch einmal um einige zehntausend Jahre nach hinten: Forscher um Christopher Henshilwood von der Witwatersrand-Universität in Johannesburg entdeckten in der Blombos-Höhle 300 km östlich von Kapstadt eine mittelsteinzeitliche Malwerkstatt, die sie auf 100.000 Jahre schätzen. Konkret fanden die Archäologen ockerhaltige Farbreste in zwei Schalen von Meeresschnecken, dazu Knochen, Kohle und Hammersteine, mit denen der Farbmix hergestellt worden sein soll.

Wie das internationale Forscherteam um Henshilwood im US-Wissenschaftsmagazin Science Bd. 334, S. 219) schreibt, präsentiere der Fund einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung komplexer geistiger Fähigkeiten und Kenntnisse. Die Herstellung der Farbe ist nämlich nicht ganz trivial: Die steinzeitlichen Malermeister haben eisenoxidhaltige Hämatitkristalle mit Quarzsteinen zerkleinert und zu einem feinen roten Puder zermahlen, wie die Forscher aufgrund von Farbresten und Schleifspuren ermittelten.

Das Pulver sei dann mit fetthaltigem geriebenem Knochenpulver, Kohle und einer Flüssigkeit vermischt und in die Abalone-Schalen gegossen und vermutlich mit einem Knochen vorsichtig verrührt worden.

Über die Verwendung des Farbgemischs können die Forscher nur spekulieren. Ocker dürfte wohl als rituelle Körperbemalung oder als Hautschutz verwendet worden sein. Denkbar sei aber auch die Anfertigung einfacher Kunstwerke. In jedem Fall gehen die Forscher davon aus, dass die Werkzeuge mehrmals zur Farbherstellung genutzt wurden und es sich also nicht um ein einmaliges Ereignis gehandelt habe. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 14.10.2011)