"Frauenquoten würden sich erübrigen, wenn Eltern und Lehrer Mädchen mehr Selbstvertrauen vermittelten."

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"Ich habe die Schulzeit sehr gut in Erinnerung, weil ich das Glück hatte, hochmotivierte und engagierte Lehrer zu haben. Sie waren in der Lage, Talente frühzeitig zu erkennen und sie zu fördern, auch wenn es nicht immer mit dem Lehrplan zusammengepasst hat. Exkursionen und Experimente standen regelmäßig am Programm. Sie waren besonders in den naturwissenschaftlichen Fächern eine wertvolle Bereicherung für den Unterricht. Ein weiteres Beispiel: Im Fach Textiles Werken musste ich nicht das Pflichtprogramm absolvieren, sondern hatte die Möglichkeit selbst zu entwerfen und an Wettbewerben teilzunehmen. Das verstehe ich unter echter Förderung."

Sonja Hammerschmid, heute Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien, wurde in Oberösterreich geboren und ist in Baumgartenberg im oberösterreichischen Mühlviertel in die Volks- und Hauptschule gegangen. Danach besuchte sie das Oberstufenrealgymnasium in der Bezirkshauptstadt Perg.

"Mein naturwissenschaftliches Interesse hat sich in der Auswahl meiner Gymnasium-Richtung niedergeschlagen, ich bin in den naturwissenschaftlichen Zweig gegangen. Ich hatte exzellente Lehrer, die das Interesse hochgehalten haben", sagt sie im Gespräch mit derStandard.at. In ihrem Zweig wurde mehr Physik, mehr Chemie, mehr Biologie und mehr Mathematik unterrichtet.

Interesse für Fashion und Design

Dennoch war nicht immer klar, dass sie die Naturwissenschaften zu ihrem Beruf machen wird. "In meiner Seele waren immer zwei Bereiche sehr stark präsent, von Beginn weg. Das eine war eine sehr starke naturwissenschaftlich-medizinische Seite, auf der anderen Seite habe ich mich für Design und Fashion interessiert."
Die Entscheidung war mit 18 schließlich Schicksal, wie Hammerschmid heute sagt. Sie hatte sich auf der Universität für angewandte Kunst in Wien für ein Kunst-Studium beworben: "Ich wurde aber nicht genommen. Wie das Leben so spielt, kam es anders als geplant."

Die heute 43-Jährige inskribierte schließlich Biologie. Nach mehr als fünf Jahren in der Pharmaindustrie wurde sie später Bereichsleiterin für Technologie bei der Förderbank "Austria Wirtschaftsservice" (aws) und ist seit einem Jahr Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Kein Sprachentalent

In der Schule hatte sie sehr gute Noten. "Ich war eine hervorragende Schülerin", hat mit Auszeichnung maturiert. Ihre Schwäche ist eigenen Angaben zufolge, dass sei kein Sprachentalent ist. "Ich habe auch dort mit sehr guten Noten abgeschnitten, aber habe es mir erarbeiten müssen."
Die Lehrer in der Schule hat sie in guter Erinnerung. "Das waren Menschen, die uns Schüler sehr partnerschaftlich behandelt haben." Sie vergleicht ihre Lehrer mit "Coaches", die "nicht die autoritäre Lehrermentalität hervorgekehrt haben". Natürlich habe es aber auch Lehrer gegeben, die stärker auf Disziplin Wert gelegt haben als andere.

Hammerschmid plädiert jedenfalls dafür, dass Lehrer Coach-ähnlicher agieren sollen. "Das ist der Anspruch, den ich an Lehrer habe. Dass sie diese Lehrer-Rolle mit Frontal-Unterricht verlassen hin zu einem Coach und Förderer." Das bringe viel mehr und dadurch könnten Talente der Kinder besser erkannt werden. Diese Art des Unterrichtens und des Förderns müsste es aber "durchgängig" geben - vom Kindergarten bis zur Universität, denn: "Mit 14 ist es oft schon zu spät", Talente zu erkennen.

"Niveau ist erschreckend"

Dass das jetzige Schulsystem Schwächen aufweist, beweisen laut Hammerschmid die jährlichen Aufnahmeverfahren an der Veterinärmedizinischen Universität: Den Bewerbern mangelt es an Kenntnissen in Physik und Chemie. "Veterinärmedizin ist nun mal ein naturwissenschaftliches Studium", beklagt Hammerschmid das Unwissen mancher Bewerber. "Das Niveau ist erschreckend. Das muss man wirklich sagen." Die Vetmed setze deshalb bereits „Crashkurse" als Vorbereitung für das Studium ein. Die Studierenden erhalten vorab die Info über den Lernstoff und können sich über die Sommermonate vorbereiten, "weil das Niveau so schlecht ist, dass wir hier nicht aufsetzen können."

Im vergangenen Semester hat sich die Universität sogar entschlossen, aufgrund der schlechten Grundkenntnisse parallel zum ersten Semester Lehrveranstaltungen einzuziehen, "weil es anders nicht gegangen wäre. Aber das ist als Universität eigentlich echt nicht unser Job", sagt Hammerschmid. Jährlich gibt es für Veterinärmedizin 1400 Bewerber für 203 Studienplätze. "Selbst bei den aufgenommenen sind die Physik- und Chemie-Kenntnisse nicht berauschend."

Mehr Selbstvertrauen

Hammerschmid war nach Ingela Bruner an der Universität für Bodenkultur die zweite weibliche Rektorin in Österreich. Im Zuge ihrer Bestellung und der darauf folgenden Debatte über Frauenquoten sagte sie: "Frauenquoten würden sich erübrigen, wenn Eltern und Lehrer Mädchen mehr Selbstvertrauen vermittelten."

Dieser Meinung ist sie auch heute noch. "Man kann Selbstbewusstsein aufbauen, in der Art und Weise wie man Menschen in Gesprächen begegnet und wie man sie behandelt." Das gelte für Lehrer und Eltern. "Mein Vater hat zu mir immer gesagt, 'verlass dich auf deine Leistung, dein Können und du wirst deinen Weg gehen.' Wenn man das konsequent hört, prägt das einen schon sehr stark. Wenn man ständig niedergemacht wird, kann das Selbstvertrauen nicht wachsen."

Hammerschmid spricht sich auch dafür aus, eine Gesamtschule zu errichten, "wenn sie gut gemacht ist und die Qualität passt". Für sie steht fest: "Ich bin für ein Schulsystem, das breit aufgesetzt ist und Stärken stärkt aber auch versucht, Schwächere zu integrieren und ihnen Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bietet." (seb, rwh, derStandard.at, 30.9.2011)