Anlässlich der Bewerbung zur zweiten Amtszeit hat ORF-Chef Alexander Wrabetz seinen Mitarbeitern einen Brief geschrieben. etat.at veröffentlicht ihn im Wortlaut.

Wrabetz an die ORF-Mitarbeiter:

"Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Gestern wurden die hervorragenden Ergebnisse des Radiotests für das 1. Halbjahr 2011 veröffentlicht: Die ORF-Radios sind mit täglich rund 5,2 Millionen Hörerinnen und Hörern eindeutiger Marktführer und damit die stärkste Radioflotte Europas. Dazu gratuliere ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ORF-Radios sehr herzlich. Kommende Woche übermitteln wir dem ORF-Stiftungsrat den Quartalsbericht für das 2. Quartal 2011 und nur so viel vorab: Auch wirtschaftlich ist die Entwicklung sehr erfreulich. Und mit der Konstituierung des hochkarätig besetzen Kulturbeirats für ORF III am Donnerstag konnte ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zum Start unseres neuen Spartenkanals für Information und Kultur gelegt werden.

Aber auch abgesehen von diesen jüngsten positiven Entwicklungen steht unser Unternehmen heute sehr gut da: gemeinsam haben wir seit 2007, trotz teilweise widrigster Umstände, für den ORF und sein Publikum einiges erreicht:

Der ORF ist trotz verschärfter Konkurrenz unbestrittener Marktführer in Österreich und nimmt auch im internationalen Vergleich eine Top-Position ein. Erreicht wurde das durch die kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Programme in Radio, Online und im Fernsehen. Ich erwähne beispielhaft nur den Ausbau der ORFeins-Information für unser junges Publikum, den Start von ORF eins und ORF 2 im HDTV-Standard, den schon rund. 800.000 Seherinnen und Seher regelmäßig nutzen, unsere "Themenschwerpunkte" mit bis zu 5 Millionen Seherinnen und Sehern, die hervorragende Entwicklung der "ZiB"-Familie mit einem Zuseherplus va. für die "Zeit im Bild" um 19.30 Uhr und die "ZiB 2", die hohe und erst jüngst weiter gestiegene Publikumsakzeptanz für unsere Vorabendmagazine "Heute in Österreich", "Sommerzeit" und "Konkret", die hervorragende Nutzung unserer Dokumentationen, Kulturangebote, unserer eigenproduzierten Filme und Serien, des umfassenden Sportangebots, unserer erfolgreichen Unterhaltungsangebote, des Kinderprogramms, unserer Religionssendungen und der internationalen Filme und Serien . Auch im Radio mit Ö1, Ö3 und FM4, sowie Online mit ORF.at und der TVThek setzen die ORF-Angebote die Standards. Unsere Landesstudios sind fast durchgängig regionaler Marktführer in TV, Radio und Online.

Wie Sie wissen, werde ich mich auch für die kommende Geschäftsführungsperiode um die Funktion des ORF-Generaldirektors bewerben und habe mein diesbezügliches Konzept an die Vorsitzende des Stiftungsrates übermittelt. Mein Ziel ist es, mit Ihnen gemeinsam sicherzustellen, dass der ORF auch 2016 so stark wie heute ist und das unbestrittene Leitmedium in Österreich - im Fernsehen, im Radio wie im Internet.

Um dieses Ziel zu erreichen braucht der ORF Kontinuität, um seinen erfolgreichen Weg fortsetzen zu können. Und er braucht eine klare Entwicklungsperspektive, denn eines steht für mich außer Streit: 2016 werden Öffentlich-rechtliche wie der ORF in der immer vielgestaltiger und unübersichtlicher werdenden Medienwelt eine noch größere Bedeutung für ihr Publikum haben als heute.

Dazu müssen wir die wirtschaftlichen Grundlagen des ORF absichern. Der ORF hat das Seine in Strukturen und Aufwand getan und wird seinen sparsamen Kurs weiter fortsetzen. Ergänzend dazu wird es aber auch darum gehen, eine Änderung der widersprüchlichen Vorgaben des § 31 / ORF-Gesetz zu erreichen. Teile dieser Bestimmung behindern eine sinnvolle wirtschaftliche und programmliche Entwicklung. Ich werde mich dafür einsetzen, die dem Unternehmen nach meiner Überzeugung zustehende Refundierung des Entgangs für Gebührenbefreiungen auch über 2014 hinaus sicherzustellen. Weiters gilt es, den Anteil der TV-Werbung am Werbemarkt schrittweise zu erhöhen, der in Österreich mit nur 23 % vergleichsweise sehr gering ist und weitere Einnahmequellen zum Beispiel im Bereich der Spartenkanäle oder bei den On-Demand-Angeboten zu erschließen.

Ziel all dieser Maßnahmen ist eine Offensive bei den Programminvestitionen. Ich möchte eine Steigerung der Mittel für Eigenproduktionen um 5% jährlich ab 2012 erreichen.

Die Fernsehflotte wird im Herbst mit ORF III und ORF Sport Plus um zwei Spartenkanäle ausgebaut und damit nachhaltig weiterentwickelt, ergänzend dazu werden wir uns darum bemühen, ein "österreichisches Kinderprogrammfenster" auf KI.KA zu etablieren.

Einige konkrete Programmprojekte werden unter anderem sein:

Im Bereich TV-Dokumentation werden wir unsere erfolgreich begonnene Aufarbeitung der österreichischen Zeitgeschichte unter dem Arbeitstitel "Die 2. Republik" fortsetzen. Die Reihe "Die Österreicher" wird sich mit der Geschichte Österreichs von der Urzeit bis zur Zweiten Republik und dem EU-Beitritt Österreichs beschäftigen und unter dem Titel "Themen der Zeit" sollen Themenkomplexe wie "Energie", "Klima" oder "Globale Finanzmärkte" behandelt werden.

Noch heuer wird ein großes Hilfsprojekt für die Dürreopfer in Afrika gestartet, das vom Humanitarian Broadcasting gerade mit den Partnerorganisationen von "Nachbar in Not" vorbereitet wird und um dessen Unterstützung ich Sie schon jetzt dringend bitte.

Ein weiterer Schwerpunkt im Fernsehen wird im Ausbau der erfolgreich begonnenen cross-medialen Projekte innerhalb der ORF-Flotte wie etwa der Kooperation von Ö3 und ORFeins zum Eurovisions-Songcontest in Düsseldorf liegen, die wir jetzt im Rahmen der "Großen Chance" weiter entwickeln. Das Potenzial für solche Programm-Kooperationen etwa zwischen Ö1, FM4 und ORF III oder ORF 2 und den Regionalradios soll verstärkt genutzt werden.

Ebenfalls bewährt haben sich die ORF-Initiativen "Bewusst gesund", "Unser Klima" oder der "Österreichische Integrationspreis". Diese möchte ich thematisch um das Thema "Kinder und Jugend" ergänzen und das ORF-Programm dadurch für diese Zielgruppe noch attraktiver machen. Durch konkrete Projekte wie etwa einen Schwerpunkt zur "Leseförderung bei Kindern" und nachhaltige Maßnahmen wie "ORF macht Schule" sollen "Media Literacy", aber auch grundlegende Fertigkeiten gefördert werden.

Ein geplantes Medienmagazin wird sich mit den Herausforderungen und Entwicklungen der komplexen Medienwelt beschäftigen.

Ein weiteres Entwicklungsfeld ist eine Fernseh-Frühinformationsstrecke. Die Vorarbeiten einer bereichsübergreifend zusammengesetzten Arbeitsgruppe sind weitgehend abgeschlossen. Die Ergebnisse werden in den nächsten Monaten evaluiert, um eine Entscheidung vorzubereiten.

Im Bereich der Eigenproduktion und der österreichischen Filme und Serien strebe ich die Aufrechterhaltung des hohen Qualitäts- und Investitionsniveaus an.

Auch bei der Messung der Publikumsakzeptanz unserer Angebote gilt es, neue Ansätze zu verfolgen um aussagekräftigere Kriterien zu entwickeln, die auch das angesichts von Digitalisierung, mobiler Nutzung, sozialen Plattformen oder Trimedialität geänderte Mediennutzungsverhalten des Publikums abbilden.

Im Bereich der Technologie haben wir mit dem erfolgreichen Umstieg auf das HD-Format in ORF eins und ORF 2 in den vergangenen Jahren einen technischen Meilenstein gesetzt. In den kommenden fünf Jahren wird es u.a. darum gehen, nun auch die Produktionstechnik durchgängig auf HDTV umzustellen und den digitalen Workflow in allen Bereichen weiter voranzutreiben.

Voraussetzung für das Gelingen all dieser Vorhaben ist, neben stabilen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, aber auch eine nachhaltige Personalplanung und -entwicklung.

Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, haben in den vergangenen Jahren, teilweise unter sehr großem persönlichen Einsatz, zum Gelingen der notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen beigetragen. Was die personelle Ausstattung des Unternehmens betrifft, ist nun 2012 die "Talsohle" erreicht. Die geplante programmliche Offensive wird auch von einem entsprechenden Personalentwicklungspaket bis 2016 begleitet werden. Nachbesetzungen, die Förderung von Frauen aber auch die Reparatur prekärer Personal-Situationen sowie gezielte Nachwuchskräfteförderung für Schlüsselstellen, wie das im Rahmen der ORF-Akademie seit Anfang 2011 auch bereits geschieht, werden wieder möglich sein.

Um den ORF bestmöglich für die kommenden fünf Jahre aufzustellen, plane ich auch Änderungen im Bereich der Geschäftsführung: Der Bereich Fernsehen wird mit einem Direktor in der Geschäftsführung vertreten sein und über zwei jeweils Channel-Manager verfügen. Auf diese Weise werden klare "Produkt"-Verantwortlichkeiten geschaffen. Weiters wird es einen Kaufmännischen Direktor, einen Radio-Direktor und einen Technischen Direktor in meinem Team geben, das ich dem ORF-Stiftungsrat im Falle meiner neuerlichen Bestellung vorschlagen werde. Die strategischen Agenden für den Bereich Online und neue Medien werden in einer nahe an der Geschäftsführung angesiedelten Stabsstelle gebündelt werden.

Soweit eine kurze Zusammenfassung meines Maßnahmenkonzepts für den ORF in den Jahren 2012 - 2016: Unter der Voraussetzung meiner neuerlichen Bestellung ersuche ich Sie um ihre Unterstützung bei der Umsetzung der skizzierten Vorhaben.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass starke öffentlich-rechtliche Rundfunkunternehmen wie der ORF in Zukunft noch an Bedeutung für die Gesellschaft gewinnen werden. Aber auch die Herausforderungen etwa durch neue Plattformen wie die so genannten Sozialen Netzwerke, die sich zwar der Mittel klassischer Medien bedienen, aber nichts zu deren Finanzierung beitragen und die klassische Wertschöpfungskette zunehmend untergraben, sind groß.

Hier wird es auch darum gehen, neue Allianzen unter den klassischen Medien zu bilden - zwischen kommerziellen wie öffentlich-rechtlichen, ebenso wie zwischen Print und TV.

Ich wäre stolz und würde mich sehr freuen, mit Ihnen, den besten und erfolgreichsten Medienmacher/inne/n Europas, gemeinsam weiter an der positiven Entwicklung "unseres" ORF arbeiten zu dürfen!

Ihr

Alexander Wrabetz" (red)