Wien - In Summe haben sich für die Wahl des ORF-Generaldirektors sieben Kandidaten beworben, von denen aber mit Ausnahme von Alexander Wrabetz keiner auch nur eine geringe ernsthafte Chance auf einen Wahlsieg haben dürfte. Aus dem eigenen Haus hat sich Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz beworben. Er präsentiert sich "als unabhängiger Kandidat ohne (personal)politische Vorabsprachen" und wendet sich gleich zu Beginn seines Konzepts gegen die "Soundbite"-Demokratie, die nur mehr aus immer kürzeren Wortspenden bestehe.

"Schrebergarten-Mentalität"

Der ORF brauche seiner Ansicht nach "eine klar und bündig formulierte Unternehmensstrategie", die auch die Frage beantwortet, warum es den Konzern überhaupt gebe. Aus Sicht des Korrespondenten beschreibt er die vorherrschende "Schrebergarten-Mentalität" unter den Redaktionen und stützt sein Konzept auch sonst in wesentlichen Teilen auf Beispiele aus der Journalistentätigkeit im Ausland. Kritik übt Wehrschütz an der Hörer- und Seherstruktur der Nachrichtensendungen des ORF und an der Aushungerung der Landesstudios. Aus seiner Sicht bedürfe es eigener vom ORF aufgebauter Stars. Beim Thema Fernsehen pocht er zuvorderst auf eine ausreichende Auslandssendung. Die "Zeit im Bild" will er als zentralen Informationsblock etablieren, der bis 20.15 Uhr dauern kann. Und: Wehrschütz hat ebenfalls den Mangel an Frühstücksfernsehen erkannt.

Wehrschütz ist geborener und wie es auf der ORF-Homepage heißt "überzeugter Steirer" und ORF-Balkan-Experte. Der studierte Jurist arbeitet seit 1991 für den ORF, zunächst im Aktuellen Dienst des Hörfunks und seit 1999 als Korrespondent in Belgrad. Wehrschütz, der im Jahr 2007 mit dem Leopold Kunschak-Pressepreis und im Jahr 2000 mit dem Staatspreis für publizistische Leistungen im Interesse der Geistigen Landesverteidigung ausgezeichnet wurde, wird tendenziell dem blauen Gesinnungslager zugerechnet. Vor seiner Tätigkeit beim ORF war er Chefredakteur des FPÖ-Parteiblatts "Neue Freie Zeitung".

Karin Kraml

Karin Kraml (frühere Resetarits / 1961), die aufgrund ihres nicht lange genug zurückliegenden politischen Engagements nicht zur Wahl zugelassen werden dürfte, ließ sich von der gesetzlich festgelegten Unvereinbarkeit nicht abschrecken. Ihrer Meinung nach treffe die Politikerklausel auf sie nicht zu, da sie in keinem Naheverhältnis zu einer Partei in Österreich stehe, schreibt sie in ihrer Bewerbung. Geht es nach Kraml will sie den ORF "in seinem inneren und äußeren Erscheinungsbild insgesamt verjüngen". Sie fordert einen "Abbau von Personal und Privilegien immer nur von oben nach unten". Der ORF müsse werbefrei sein und sich aus Gebühren, Sponsoring und Produktplatzierungen finanzieren.

Kraml war von 1980 bis 2003 für den ORF redaktionell tätig. 2004 wechselte sie in die Politik und schaffte als Nummer zwei auf der Liste Hans-Peter Martin den Sprung ins EU-Parlament. Bald darauf kam es zu Unstimmigkeiten mit ihrem einstigen Mentor - vor allem bei finanziellen Fragen - woraufhin Kraml zu den Liberalen wechselte, für die sie bis 2009 im Europäischen Parlament saß. Nach dem Ausscheiden aus der Politik heiratete Karin Resetarits-Kraml Martin Kraml, mit dem sie einen Gastronomiebetrieb führte. Seit 2009 arbeitet sie in der Firma ihres Mannes MMKmedia. Kraml ist Mutter von fünf Kindern - die jüngste Tochter Bonamie Wolke kam erst im vergangenen Jahr zur Welt.

Manfred Greisinger

Auch Manfred Greisinger (1964) will ORF-Generaldirektor werden. Der studierte Publizist, der fünf Jahre im ORF als Journalist tätig war, ist ein selbst erklärter Tausendsassa, dem es - getreu einem seiner Buchtitel "Ihr Ich als unverwechselbare Marke" - vor allem um die Pflege der eigenen Marke geht. Er selbst bezeichnet sich als freier Autor, selbstständiger PR-Coach, Referent, Trainer und Universitätslektor. Greisinger sieht seine Bewerbung "als Signal für (journalistische) Unabhängigkeit, Freiheit und Bürgerdemokratie". Es soll, so schreibt Greisinger, "endlich wieder ein Journalist - statt Parteisekretariaten - das größte Medium des Landes leiten". Er selbst fühle sich für die Führungsaufgabe berufen, "weil ich Menschen liebe. Und dieses Land Österreich mit all seiner Großartigkeit wie auch dem Symphatisch-schrulligen liebe." Für den ORF hält er eine Rückbesinnung auf die "Ur-Marke ORF" für dringend angebracht.

Rene Hager

Eine weitere Bewerbung liegt den Stiftungsräten vom 36-jährigen Juristen Rene Hager (36) vor. Hager will die zielgruppenspezifische Zuordnung von ORF eins und ORF 2 überdenken. Den Standort ORF-Zentrum will er durch Auslagerungen in die Landesstudios erhalten. Den Lizenzerwerb von Sportereignissen will er überdenken. Auch bedürfe der Starttermin von ORF III und die Finanzierung des Spartenkanals einer neuen Prüfung. Im Onlinebereich plädiert er für eine starke Positionierung des ORF, wo er sich allerdings auf seine Stärken konzentrieren solle - aus Hagers Sicht wäre dies etwa der Teletext. Einsparungen will er in der Geschäftsführung vornehmen und die Landesdirektionen stärken.

Dario Lindes

Mit einer Spaßbewerbung hat außerdem Dario Lindes auf sich aufmerksam gemacht, der sich vor Jahren bereits - ebenso unernst - für den Posten des Staatsoperndirektors beworben hat. Er würde mit einem für Finanzen zuständigen Direktor "für große Geschäfte", nämlich Walter Meischberger, einem "Direktor für kleine Geschäfte (Parteispenden, Interventionen)", nämlich Niko Pelinka, und dessen Vater Peter Pelinka als Direktor für Sendungen ins Rennen gehen. Für den Posten des Generaldirektors sei er geeignet weil er "fünf Jahre Pächter von ORF-Kantine am Küniglberg" war. "Da kriegt man ganze ORF-Betrieb von innen her mit (durch die besoffene Redakteure, die da drin hängen bis zum Koma, alles schwere Alkoholiker). Ich weiß mehr von ORF als jede andere angelernte Journalist." (Rechtschreibung entspricht dem Originaltext, Anm.) Sein Motto für den ORF lautet "Sparen - Sparen - und noch amal Sparen. Nur alte Filme einkaufen, nix mehr selber produzieren" - außerdem tritt er für die Umbenennung von Österreichischer Rundfunk in Österreichischer Schund-Funk ein.

Martin Roger Müller

Eine Rechnung mit dem ORF offen hat noch der 42-jährige Martin Roger Müller, der sich 2006 als Programmdirektor beworben hatte und heute noch zürnt, von Wrabetz nicht nominiert worden zu sein. "Das Karma von Alexander Wrabetz ist schlecht für den ORF. Am Anfang seiner Karriere war der Sündenfall die Bewerbung zum Programmdirektor meinerseits und dessen Ablehnung." (APA)