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Ein bisschen mehr Schwung beim Kurswechsel könnte Österreich nicht schaden, findet die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Wien - Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellt Österreich in ihrem Länderbericht, der heute Montag in Wien von OECD-Generalsekretär Angel Gurria präsentiert wird, ein hervorragendes Zeugnis aus. Österreich beeindrucke kurz nach der weltweiten Finanzkrise mit "sehr guten wirtschaftlichen Leistungen bei gleichzeitig starkem sozialen Zusammenhalt", konstatiert die Organisation in ihrem "Wirtschaftsbericht Österreich". Um die Erfolge fortzusetzen sollte Österreich Reformen in den Bereichen Bildung, Finanzen, Steuern, Pensionen und Gesundheit durchführen.

Konkret sollten die noch immer existierenden Anreize für Frühpensionierungen abgeschafft werden. In Österreich erfolge der Pensionseintritt früher als in fast allen anderen OECD-Ländern - was sich das Land nicht mehr lange leisten werde können. Die OECD würdigt allerdings auch die jüngsten Änderungen im Pensionssystem. Die Ausgaben für Soziales sollten gezielter eingesetzt werden: Mehr als ein Viertel des österreichischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) fließe ins Sozialsystem, also in die Bereiche Pensionen, Gesundheit, Familie und Wohnen, und viele Ausgaben würden allen Bevölkerungsgruppen zu Gute kommen. Wenn die Transferzahlungen auf die Schwächsten fokussiert würden, könnte Österreich seine Ausgaben insgesamt effizienter gestalten, so die OECD.

Staat raus aus Banken

Die OECD hat Österreich zudem angeraten, von den großen Banken des Landes einen Fahrplan für Kapitalerhöhungen und die Tilgung von Staatskapital zu verlangen. Bis 2020 dürften - samt Rückzahlung von Staatshilfen - 15 bis 18 Mrd. Euro an frischem Kapital nötig sein. Die Organisation bekrittelt bei der heimischen Kreditwirtschaft eine unterdurchschnittliche Kapitalausstattung. In dem einen oder anderen Land im Osten könnte die Lage für heimische Banken im übrigens noch schwierig werden.

Die Organisation gibt zu bedenken: "Die Aufnahme neuen Kapitals könnte sich für die österreichischen Banken angesichts der Bedeutung des mehrschichtigen dezentralisierten Sektors als schwierig erweisen". Schwache Leistungen des nationalen Kapitalmarkts könnten ebenfalls ein Problem darstellen, "da internationale Investoren zunehmend Risiken meiden, die Bankenabgabe eingeführt wurde und zwischen europäischen Banken starker Wettbewerb um Beteiligungskapital herrscht", so die OECD. Deshalb die Empfehlung an die öffentliche Hand, von den Großbanken in Österreich entsprechende Fahrpläne einzufordern. Die OECD rät zudem, dass detaillierte Ausstiegspläne aus der Staatshilfe vorgelegt werden.

Um den Bankensektor in der globalen Krise - die das internationale Portfolio der österreichischen Banken "ernsthaft beeinträchtigt" hat - zu stützen, waren "in erheblichem Umfang" Hilfsleistungen der öffentlichen Hand erforderlich. 2008 hat der österreichische Staat die Einlagensicherung um 10 Mrd. Euro aufgestockt, danach 15 Mrd. Euro als Finanzspritze für Finanzinstitute aufgewendet und 75 Mrd. Euro zur Unterstützung der Zwischenbank-Kreditvergabe sowie für Staatsgarantien für Bankanleihen bereitgestellt. Später wurden Teile dieser Mittel auch für Unternehmensgarantien und Euro-Stützungsmaßnahmen verwendet. "Trotzdem", so die OECD, "sind noch immer 15,9 Mrd. Euro als staatliche Garantien für Kreditinstrumente und 7,5 Mrd. Euro als Kapitalspritzen und Anlagegarantien im Umlauf. Zwei Banken, darunter eine der sechs größten Banken, mussten verstaatlicht werden" (Hypo Alpe Adria und Kommunalkredit, Anm.). "Die Unterstützungsmaßnahmen müssen zwar so lange wie nötig bestehen bleiben, klar definierte Ausstiegsstrategien würden aber die Unsicherheit beseitigen und das Vertrauen in die Märkte stärken", unterstreicht die Organisation.

Verbesserte Situation

Die Kapitalausstattung der österreichischen Banken verbessere sich derzeit, insbesondere bei den größten Banken, die vor der Krise am meisten fremdfinanziert waren, schreibt die OECD. Im Gegensatz zur Situation Anfang 2009 habe durch mehrere Stresstests gezeigt werden können, dass auch heftige Schocks die Zahlungsfähigkeit mittlerweile nicht mehr bedrohen würden. Zudem gebe es keine Anzeichen von Kreditrationierung in der heimischen Wirtschaft. "Doch obwohl in der Zwischenzeit eine konsolidierte Kernkapitalquote von 9,8 Prozent (OeNB, 2010) erreicht wurde, weisen die österreichischen Banken noch immer eine unterdurchschnittliche Eigenkapitalausstattung aus", heißt es im heutigen OECD-Bericht.

Der Gesamtumfang des infolge von Basel III zusätzlich erforderlichen Kapitals und der Rückzahlungen von Unterstützungsgeldern der Regierung "wird für den Zeitraum bis 2020 auf 15 bis 18 Mrd. Euro geschätzt", so die OECD. Die jüngste Rückkehr zur Rentabilität der Banken sei im wesentlichen der Erholung in Osteuropa gedankt. Trotzdem liege die Rentabilität der österreichischen Banken immer noch unter Vorkrisen-Niveau. "Zudem wurden scheinbar nicht alle Verluste, insbesondere im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten, von ausländischen Tochtergesellschaften bilanziert, und ein weiterer Anstieg der Kreditausfallrückstellungen wird erwartet". "Es sollten daher Pläne zur Verbesserung der Finanzstabilität erarbeitet werden", rät die OECD, "für den Fall, dass sich die Lage in einem oder mehreren Ländern Zentral/Osteuropas (MOE) merklich verschärft".

 

Staatsverschuldung drücken

Die Staatsverschuldung sollte von heute 73 Prozent auf unter 60 Prozent des BIP gedrückt werden. Auch die Bundesländer müssten über den österreichischen Stabilitätspakt auf präzise Schuldenobergrenzen verpflichtet werden. In wirtschaftlich starken Phasen sollte der Haushalt nicht leichtfertig belastet werden, warnt die OECD. Die österreichische Budgetpolitik sei zwar im internationalen Vergleich gut, aber nicht genug um um für den künftigen Anstieg der Ausgaben im Zusammenhang mit der Alterung der Bevölkerung vorzusorgen.

Auch im Steuersystem sieht die OECD Reformbedarf. Arbeit und Unternehmertum würden in Österreich stark belastet, Vermögen aber kaum in die Pflicht genommen. Die Steuerlast sollte von Arbeit und Unternehmertum weg und hin zu anderen Bereichen verlagert werden, wo sich die Steuer weniger störend für die Wirtschaftsentwicklung auswirke. Bei Netzwerk-Services wie Bahn, Post und Stromversorgung sollte der Wettbewerb weiter gestärkt werden.

Die bessere Integration in den Arbeitsmarkt von älteren Arbeitnehmern, Arbeitnehmerinnen mit Kindern sowie von unqualifizierten Arbeitnehmern sei eine große Herausforderung für Österreich. Die Arbeitslosigkeit bei Arbeitnehmern mit geringer Ausbildung sei hoch und in der Krise noch gestiegen. Die Beschäftigung dieser Gruppe könnte durch Qualifikationsmaßnahmen und durch die Senkung der Arbeitskosten gesteigert werden, etwa durch Senkung der Sozialversicherungsbeiträge im Niedriglohnbereich und eine Erweiterung des "Kombi-Lohn".

Bildungswege zu früh festgelegt

Im Bildungsbereich würden die Schüler zu einem frühen Zeitpunkt auf bestimmte Bildungswege festgelegt. Die Art des Abschlusses sei in Österreich häufig vom familiären Hintergrund geprägt. Dies sollte durch Bildungsreformen überwunden werden. Universitäten sollten ihre Studenten auswählen und Studiengebühren einheben können, begleitet von einem Stipendiensystem und Kreditangeboten, um eine Auswahl nach finanziellen Kriterien zu verhindern.

Dem Gesundheitsbereich ist im OECD-Bericht ein Sonderkapitel gewidmet. Das österreichische Gesundheitssystem genieße bei den Bürgern ein hohes Ansehen, sei aber im Vergleich mit anderen Länder teuer, fragmentiert und stark auf Behandlung im Krankenhaus ausgerichtet. Zur Effizienzsteigerung sollte die Verantwortung für Gesundheitsleistungen, Finanzierung und Ausgaben zwischen Ländern und Bund klarer zugeteilt werden. Der nationale Kapazitätsplan für öffentlich finanzierte ambulante und stationäre Behandlungen sollte optimiert werden und von der Bundesregierung mit Unterstützung der Länder und Krankenkassen durchgesetzt werden. In bestimmten Fällen könnte sich auch die Einrichtung eines gemeinsamen Finanzierungstopfes für Mittel aus verschiedenen staatlichen Einheiten als sinnvoll erweisen. Leistungsbezogene Bezahlung von Dienstleistungen, intensiverer Wettbewerb bei Medikamenten und Kampagnen für einen gesünderen Lebenswandel würden die Gesundheitskosten erheblich senken können, erwartet die OECD. (APA)