Ermittelt in Sachen "Sennentuntschi": Nicholas Ofczarek.

Foto: Thimfilm

Wien - Das Sennentuntschi ist eine Sagengestalt, eine Puppe aus Stroh, die sich Senner als Gesellschaft für ihre einsamen Nächte hoch oben in den Bergen zusammenbasteln. Am Ende der Saison erwacht das vormoderne Sexspielzeug zum Leben und rächt sich blutig für den erlittenen Missbrauch.

Dieses archetypische Gruselmärchen aus dem Alpenraum hat der Schweizer Michael Steiner (Mein Name ist Eugen; Grounding) in einen Horrorfilm zeitgemäßen Zuschnitts umgebaut. Die Geschichte ist doppelt gerahmt: Ein schauriger Leichenfund in der Gegenwart führt zurück ins Jahr 1975. Damals taucht in einem abgeschiedenen Alpendorf eine verwahrloste, völlig verängstigte junge Frau (Roxane Mesquida) auf, die auch nicht sprechen kann. Die Nachforschungen zu ihrer Identität führen den aufrechten Dorfpolizisten (Nicholas Ofczarek) bald auf die Spur der Sage.

Wie Steiner die Ambivalenz zwischen einem weltlichen Krimi und einer Fantasy-Erzählung hält, das ist streckenweise recht beeindruckend. In dem Stoff wären allerhand Anknüpfungspunkte angelegt - vom Aufstand weiblicher Dienstboten bis zum Fremdenhass. Das Genrekino lebt nicht zuletzt vom Mitschwingen solcher größerer aktueller Zusammenhänge in seinen formelhaft verdichteten Erzählungen.

Allerdings hat die Filmemacher im vorliegenden Fall die Drastik eindeutig mehr interessiert. Man setzt auf eine kraftmeierische Kamera und optischen Schnickschnack (und erinnert dabei oberflächlich an US-Seriendutzendware). Mit Fortdauer des Films wird er immer spekulativer und ekeliger. Der Polizist bleibt blässlich, charakterlich steigt er unter den selbstgerechten und brutalen Mannsbildern aber bei weitem am besten aus. Das Sennentuntschi erfüllt mit weit aufgerissenen Augen und oft spärlicher Bekleidung alle Anforderungen des Sexobjekts. Zur furchterregenden Rächerin fehlt der Figur der Handlungsspielraum.

Der Film selbst kann übrigens ebenfalls auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Erste Pläne für das Projekt, das mit Beteiligung der österreichischen Superfilm entstand, gehen auf das Jahr 2003 zurück, 2008 wurde gedreht, dann musste die Schweizer Hauptproduktionsfirma Liquiditätsprobleme einräumen, lange war ungewiss, ob man die klaffende Finanzierungslücke würde schließen können.

Im Herbst 2010 erlebte Sennentuntschi dann doch noch ein Happy End und seine Uraufführung. In der Folge entwickelte sich der Film in den deutschschweizerischen Kinos überraschend zum Publikumserfolg. Jetzt wird sich zeigen, ob man auch hierzulande an verwandte Zielgruppenhits wie Andreas Prochaskas In 3 Tagen bist du tot anschließen kann. (Isabella Reicher, DER STANDARD - Printausgabe, 5. Juli 2011)