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Ratko Mladic auf einem Fotos aus dem Dezember 1995 bei einem Truppenbesuch in Vlasenica.

AP Photo/Oleg Stjepanovic

Sitz des bosnischen Präsidenten auf einer Lore.

Foto: Mella Waldstein

Mit der Festnahme von Ratko Mladić sind die Wunden des Krieges in Bosnien wieder in die Wahrnehmung gerückt. Die Einschusslöcher in den Hausfassaden sind der Touristen liebstes Fotosujet. In Mostar wird mit dem Verkauf von Kriegsmemorabilien wie Patronenhülsen oder DVDs, die den Beschuss der berühmten Brücke zeigen, Geschäft gemacht. Die roten Lackspritzer auf den Straßen von Sarajevo erinnern an die Toten, die durch Heckenschützen umkamen, und hinterlassen bei Besuchern ein Gefühl zwischen Hilflosigkeit und Inszenierung. Und das Tunnel-Museum ist ein Ort privater Erinnerungsarbeit.

Einfamilienhäuser, Gärten, auch Grabsteine. Butmir, ein Vorort von Sarajevo, liegt in der Nähe des Flughafens. Das Haus der Familie Kolar zeigt massive Kriegsschäden, und ein Kranz roter Rosen hängt an der Hauswand. Das private Museum wird von Edis Kolar geführt. Er war zu Kriegsbeginn 17 Jahre alt. Im Haus seiner Familie endet der Tunnel, der während der Belagerung von Sarajevo von 1992 bis 1995 durch die serbische Armee die Stadt versorgte. Um die Erinnerung zu bewahren, begann Kolar 20 Meter Tunnel unter dem Haus zu erhalten.

Flughafen nur für Uno

Der Tunnel verläuft unter dem Flugfeld in einer Länge von 800 Metern. Nach Kriegsende stürzten große Teile davon ein. Der Flughafen war für die Bewohner von Sarajevo und die bosnische Armee ein strategisch wichtiger Punkt, da er sich zwischen der Stadt und unbesetztem Gebiet befand. Allerdings verlangte ein Abkommen zwischen der Uno und dem Kommandanten der serbischen Bosnier, Ratko Mladić, dass der Flughafen ausschließlich für UN-Zwecke genutzt werden durfte.

Nach Planung durch zwei Ingenieure wurde der eineinhalb Meter hohe Tunnel 1993 in vier Monaten gegraben. Mit dem Verlegen von Schienen wurde der Transport von Lebensmitteln, Waffen und Verletzten optimiert. Grundwasser musste permanent ausgepumpt werden. Eine Treibstoff-Pipeline und ein Starkstromkabel machten den Durchgang gefährlich. Bis zu 4000 Menschen passierten den Tunnel täglich.

"Wir waren alle Vegetarier", erzählt Reiseleiterin Jadranka Šuster. Sie schildert den Kriegsalltag aus ihrer persönlichen Erfahrung. Brot aus Bohnenmehl, Löwenzahnhonig und manchmal Taubensuppe. "Bezahlt haben wir mit Zigaretten", erklärt sie einer staunenden amerikanischen Gruppe, "Tabak war in der größte Tabakfabrik Bosniens vorhanden, aber kein Papier. Deswegen waren die Packungen aus Buchseiten."

Im Haus ist der auf eine Lore montierte Sitz zu sehen, auf dem der bosnische Präsident Alija Izetbegović den Tunnel passierte, auch Waffen und Munition oder Lebensmittelpakete. "Paket Nr. 13 enthielt Hühnerfleisch, Nr. 3 Bohnen - diese waren nicht besonders beliebt." Jadranka Šuster hat den Tunnel an der Seite ihres Vaters passiert. "Zurückgekommen bin ich mit Kaugummis. Da wollten alle Kinder meine Freunde sein."

Auf Bildschirmen laufen die Bilder des Beschusses von Sarajevo in einer Endlosschleife. Edis Kolar öffnet die Holztür am Tunnelausgang und entlässt die Besucher in den Sonnenschein. (Mella Waldstein aus Sarajevo, CROSSOVER/STANDARD-Printausgabe, 31.5.2011)