Paranthropus boisei dürfte doch nicht, wie bislang angenommen worden war, hauptsächlich harte Samen und Nüsse geknackt haben.

Foto: The National Museums of Kenya

Washington/Wien - "Hätten wir unsere neuen Ergebnisse vor 20 Jahren vorgestellt, wären wir ausgelacht worden", sagt der Anthropologe Matt Sponheimer. Tatsächlich muten die Erkenntnisse, die er mit Kollegen heute im Fachblatt PNAS präsentiert, ziemlich überraschend an: Die Wissenschafter kamen nämlich zum Schluss, dass sich ein enger Verwandter unserer Vorfahren - der sogenannte Nussknacker-Mensch - im Wesentlichen so wie eine Kuh ernährt hat.

Doch alles der Reihe nach: Paranthropus boisei, wie die wissenschaftliche Bezeichnung des Hominiden lautet, lebte vor mehr als einer Million Jahren an der Seite unserer unmittelbaren Vorfahren. Die rund 130 cm große Vormenschenart, die sich vor 2,5 Millionen Jahren von unseren Vorfahren abspaltete, hatte die größten Backenzähne sowie die höchste Beißkraft aller Hominiden.

Kosename führt in die Irre

Daher schloss man, dass sich Paranthropus vor allem von harten Samen und Nüssen ernährt haben muss - was ihm den Kosenamen einbrachte. Doch diese Bezeichnung der 1959 entdeckten Vormenschenart scheint in die Irre zu führen, wie nun Sponheimer und seine Kollegen auch aufbauend auf neue Ernährungserkenntnisse darlegen.

Vor allem aber analysierten die Forscher winzige Proben aus dem Zahnschmelz von 22 Nussknacker-Zähnen, deren Kohlenstoffisotope Aufschluss über die Nahrung gaben. Dabei zeigte sich, dass nicht einmal ein Viertel des Nussknacker-Essens aus Früchten oder Samen von Bäumen oder Sträuchern bestand und zu 77 Prozent aus Gras. Die Forscher folgern daher, dass die Nussknacker sich praktisch von den gleichen Dingen ernährten wie die damaligen Zebras oder Warzenschweine.

Die neue Studie wirft auch ein neues Licht auf die Frage, warum der Nussknacker-Mensch vor rund einer Million Jahre ausgestorben ist. An einer allzu spezialisierten Ernährung, wie man ursprünglich glaubte, dürfte es nicht gelegen haben.

Sponheimer meint, dass die direkte Konkurrenz mit unseren Vorfahren schuld gewesen sein könnte - sowie eine geringere Reproduktionsrate. (tasch, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3. Mai 2011)