Ein Foto von Sam M. zu jenen Zeiten, als er noch bei seiner Tochter sein durfte.

Foto: Privat

Die Fremdenrechtsnovelle 2011 mit ihren Verschärfungen wird wohl ohne viele Abstriche beschlossen werden. Nach dem Hearing vergangene Woche im Nationalrat wird man sie kommende Woche im Innenausschuss nochmals durchkneten - um sie dann, nach der Streichung von vielleicht ein, zwei besonders kafkaesken Vorschlägen (und dem eventuellen Hinzufügen von ein, zwei in allerletzter Minute als Initiativantrag eingebrachten Zusatzhärten), am 29. April dem Nationalratsplenum zu servieren. 

Dort ist dem Entwurf, Klubzwang sei Dank, eine rotschwarze Abstimmungsmehrheit sicher - und Abgeordnete, die ganz privat den einen oder anderen Zweifel hegen, werden sich nachher vielleicht denken: "Was soll's? Wird schon richtig sein."

Doch das stimmt nicht, richtig ist dieses Internierungs-, Einsperr- und Abschiebegesetz keineswegs. Schon jetzt geht bei vielen Einzelmenschen, Familien, Erwachsenen und Kindern, die das Pech haben, Drittstaatangehörige und noch dazu aufenthaltsrechtlich unabgesichert zu sein, die Angst um. Die Angst, dass fremdenpolizeiliche Entscheidungen noch öfter als derzeit Existenzen ruinieren und Beziehungen zerstören werden: Gesetzlich zu Recht, aber menschlich inakzeptabel.

Plötzlich weg 

So wie im Fall Sam M., seiner Lebensgefährtin Ariane (Name geändert) und deren eineinhalbjähriger Tochter Cindy (Name geändert - Vater und Tochter sind auf dem Foto zu sehen). Seit vergangenem Montag verlangt Cindy morgens nach dem Aufstehen und abends vor dem Schlafengehen jeweils dringend nach ihrem Papa, erzählt Ariane. Der war seit Juni vergangenen Jahres bei ihr zu Hause, während Ariane arbeiten ging. 

Aber der Papa ist nicht mehr da, sondern sitzt seit Dienstag tausende Kilometer entfernt im westafrikanischen Gambia fest. Dienstagfrüh um sechs Uhr wurde er in Wien zum Abschiebeflieger gebracht: Der zweite, diesmal "erfolgreiche" Abschiebeanlauf, nachdem Sam M. im Februar 2010 aus Brüssel als transportunfähig nach Wien zurückgeschickt worden. Da wies er tiefe Schnittwunden auf und blutete. Wie es in der Schubhaft dazu kam, wird jetzt so rasch nicht festgestellt werden, denn die für zweiten Mai angesetzte Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat (JUVS) über die Verletzungsursachen - ein Vergewaltigungsvorwurf steht im Raum - hat sich durch seinen Abtransport wohl erübrigt. 

Auch Ariane geht der Lebensgefährte sehr ab, aber sie hat fürs Traurigsein wenig Zeit, weil sie Vollzeit arbeiten und sich noch dazu um einen Kinderbetreuungsersatz kümmern muss. Wäre ihr Lebensgefährte kein Gambier, sondern Österreicher oder hätte er einen Aufenthaltstitel - ganze Scharen von Pädagogen würden sich wegen der möglichen Negativfolgen für die Eineinhalbjährige durch die Trennung von ihrer derzeit wichtigsten Bezugsperson erregen. Und engagierte Väter würden sich für Sams Recht auf Umgang mit seinem Kind einsetzen.

Rückkehr ungewiss 

Doch als Ausländer und abgewiesener Asylwerber, der zwar einen Folgeasylantrag gestellt hat (doch der hält Abschiebungen schon seit 2009 nicht mehr auf) hat der Kindesvater - wie es so schön heißt - kein Leiberl. Und Cindy hat kein weiteres Recht auf ihren Vater. Ob er je wieder nach Österreich wird zurückkommen dürfen, steht in den Sternen.

Und wäre die geplante Fremdenrechtsnovelle im vergangenen Jahr schon in Kraft gewesen: Vater und Tochter hätten wohl noch weniger Zeit füreinander gehabt: Denn künftig soll die Polizei Gebäude ja schon betreten dürfen, wenn sie einen "Illegalen" darin vermutet (derzeit müssen es fünf sein). Also auch Wohnungen, in denen Paare mit Kindern leben. 

Irene.Brickner@derStandard.at