In derObsorgefrage ist Martin Graf (FP) für einen Automatismus. "Systemkonservative" würden keine Änderung wollen: "In diesem Fall sind es die Feministinnen."

Foto: Der Standard/Cremer

"Berufsverbote, wie jetzt angedacht, lehne ich ab. Das sind populistische Schnellschüsse"

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"Wir wollen keine Zuwanderung in das Sozialsystem"

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Standard: Nach dem Rücktritt des VP-Politikers Ernst Strasser wegen Korruptionsverdachts in der Lobbyistenaffäre muss man fragen: Reicht es, nach Brüssel zu schauen, oder sollten auch Österreichs Mandatare überprüft werden?

Graf: Das ist kein Lobbyisten-, sondern ein Korruptionsfall. Bei uns gibt es das System der Milizabgeordneten. Mandatare können einen Beruf ausüben. Es darf nicht so sein, dass nur mehr unselbstständig Erwerbstätige aus den Kammern oder dem öffentlichen Dienst im Parlament sitzen.

Standard: Sie haben also nichts gegen Lobbyisten im Parlament?

Graf: Überspitzt gesagt, ist jeder Politiker ein Lobbyist für seine Wähler. Berufsverbote, wie jetzt angedacht, lehne ich ab. Das sind populistische Schnellschüsse, die nicht gut sind. Der Fall Strasser zeigt: Wir brauchen deutliche Strafbestimmungen, die Korruption härter verfolgen.

Standard: Das Antikorruptionsgesetz gehört verschärft?

Graf: Ja, wie auch die Regelung bei den Nebenbeschäftigungen. Man könnte sich die jährlichen Vermögenszuwächse ansehen. Gibt es einen signifikanten Zuwachs, müsste die Quelle offengelegt werden. Es darf aber kein Armutsgelöbnis für Politiker geben.

Standard: Fangen wir bei Ihnen an: Laut Ihrer Homepage sind Sie seit "1984 bis dato: Prokurist und/oder Aufsichtsrat in diversen Klein- und Mittelbetrieben im Bereich des Gewerbes und der Forschung sowie Aufsichtsrat in diversen Konzernen" ...

Graf: Wo steht das? Das ist falsch (geht zu seinem Computer). Wo haben wir da "Biografie" stehen? Da. Das sind meine beruflichen Stationen seit 1984. Derzeit sitze ich im Aufsichtsrat eines Flugunternehmens. Das habe ich gemeldet.

Standard: Martin Strutz ist PR- Berater, Sie Unternehmensberater. Da gibt es sicher keine Unvereinbarkeiten?

Graf: Ich habe 2007 meine Firma gegründet. Dort habe ich die zwei Gastgewerbeunternehmen, an denen ich Anteile besitze, hineingezogen. Und ich berate drei Klienten betriebswirtschaftlich.

Standard: Auch wenn alles auf Strasser schaut: Gegen Sie laufen Erhebungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Krida und der Untreue aus Ihrer Zeit in Seibersdorf. Wie ist der Stand?

Graf: Das läuft seit fünf Jahren, und ich warte immer noch auf die Einvernahme.

Standard: Wenn man mit Freiheitlichen redet, ist unweigerlich das Thema Asylwerber da. Da die Gesetze dauerverschärft werden, gibt es immer weniger. 2010 gab es um mehr als 30 Prozent weniger Anträge als im Jahr zuvor. Gehen Ihnen die Sündenböcke aus?

Graf: Österreich ist von sicheren Drittstaaten umgeben. Wir erleben seit Jahren, dass Wirtschaftsflüchtlinge das Instrumentarium Asyl missbrauchen. Dagegen kämpfen wir.

Standard: Alle, die kommen, missbrauchen das Recht auf Asyl?

Graf: Sehr, sehr viele Menschen haben das System missbraucht.

Standard: Zuwanderung mittels Rot-Weiß-Rot-Card wollen Sie auch nicht.

Graf: Wir wollen keine Zuwanderung in das Sozialsystem. Am 1. Mai werden die Ostgrenzen für den Arbeitsmarkt geöffnet. Da werden wir sehr darum kämpfen müssen, den sozialen Frieden zu erhalten. Ein Problem am heimischen Arbeitsmarkt ist: Die Zumutbarkeitsbestimmungen gehen zu wenig weit. Die wird man deutlich auflockern müssen, damit man mehr Animo für die heimischen Arbeitslosen erzeugt, einen Job anzunehmen.

Standard: Wollen Sie arbeitslose Österreicher zur Arbeit zwingen?

Graf: Der falsche Weg ist sicher der gewählte - Stichwort Mindestsicherung. Es muss sich lohnen, in den Arbeitsprozess einzusteigen. Wir fordern etwa ordentliche Mindestgehälter. Wer arbeiten kann, soll auch arbeiten müssen.

Standard: Wo bleibt eigentlich das für 2011 angekündigte Antiausländervolksbegehren?

Graf: "Österreich zuerst 2" war und ist ein Thema - Antiausländer ist das, was Journalisten draus machen. Die Welt bewegt sich aber weiter. Wir haben heute mit globalen Katastrophen zu kämpfen, haben Krieg in unmittelbarer Nähe zu Europa. Da ist die Frage, ob es Sinn macht, jetzt die Österreicher mit einer Befragung zu belasten.

Standard: Also nur verschoben.

Graf: Wir haben im April eine Klausur. Da werden die nächsten politischen Aktionen festgelegt.

Standard: Justizministerin Claudia Bandion-Ortner will sozusagen automatisch die gemeinsame Obsorge beider Partner. Die SPÖ ist dagegen. Wo stehen Sie?

Graf: Ich trete seit vielen Jahren dafür ein. In Österreich gibt es aber den emanzipatorischen Feminismus, der weiterhin im Streit der Eltern gerne Kinder als Waffe einsetzen möchte.

Standard: Sie sehen eine Väterdiskriminierung?

Graf: Sehr vielen Kindern wird der Vater im Scheidungsfall entzogen. Im Bereich der unehelichen Kinder spielen Väter oft gegen ihren Willen nur mehr eine Nebenrolle. Das ist eine Diskriminierung.

Standard: Und schuld sind die Feministinnen?

Graf: Schuld ist die ursprüngliche Gesetzeslage. Früher ist der Versorgungsgedanke der Mütter, die in der Regel Hausfrau waren, im Vordergrund gestanden. Jetzt gibt es Systemkonservative, die keine Änderung eines gesetzlichen Zustandes wollen. In diesem Fall sind es die Feministinnen.

Standard: Eine Frage an den FP-Wissenschaftssprecher: An der Wiener Medizin-Uni sind beinahe 40 Prozent der Bewerber Deutsche. Ein Problem?

Graf: Nein. Schade, dass da Ausländerressentiments bedient werden, nur weil es Deutsche betrifft. Das ist ein Rassismus der Linken.

Standard: Geht es da nicht um Kapazitäten?

Graf: Nein. Wir haben heute ungefähr 30 Prozent weniger Studierende auf Medizin-Unis als im Jahr 2004. Dabei gäbe es generell eine klare Lösung: das Herkunftslandprinzip implementieren. Also dass nur jene hier studieren dürfen, die auch in ihrem Heimatland einen Studienplatz haben.

Standard: Mit oder ohne Studiengebühren?

Graf: Studiengebühren sind erst am Ende eines Reformprozesses vorstellbar. Ministerin Beatrix Karl reformiert nicht, sie will nur abkassieren. (Peter Mayr, DER STANDARD; Printausgabe, 26./27.3.2011)