Brüssel/Wien - In der Affäre um ÖVP-Delegationsleiter Ernst Strasser (derStandard.at berichtete) und als Lobbyisten getarnte Reporter haben die Grünen nun ein Einschreiten der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF gefordert. Die Europasprecherin der Grünen, Ulrike Lunacek, informierte den Präsidenten des Europaparlaments, Jerzy Buzek, und Giovanni Kessler, den Generaldirektor des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung OLAF, über den Scheinlobbyisten-Fall und forderte eine Untersuchung durch das Europaparlament und OLAF, wie die Grünen am Freitag mitteilten. OLAF prüft nun, ob Ermitllungen aufgenommen werden

"Das Europäische Parlament muss der Bevölkerung signalisieren, dass es konsequent jedem Korruptionsverdacht nachgeht. Ich ersuche Buzek deswegen, im Europäischen Parlament eine Untersuchung dieses Falles einzuleiten, da der Verdacht besteht, dass Ernst Strasser mit seinem Vorgehen die Verhaltensregeln für Europaabgeordnete verletzt hat." Lunacek erinnerte in ihrem Schreiben an Buzek, dass derzeit eine Arbeitsgruppe des Europaparlaments an einem gemeinsamen Lobbyisten-Register arbeite.

SPÖ will Rücktritt Strassers

Der SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim bekräftigte die Rücktrittsaufforderung seiner Partei an Strasser. Dieser sei "längst rücktrittsreif", betonte Jarolim. "Dass täglich neue Vorwürfe erhoben und weitere unglaubliche Fakten ans Tageslicht kommen, unterstreicht dies nur in besonderem Ausmaß." Sollten sich die "höchst aufklärungswürdigen Bestechungsvorwürfe einer renommierten englischen Zeitung gegen Strasser bestätigen, dann wäre der Rücktritt Strassers nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern angesichts der strafrechtlichen Konsequenzen für diesen wohl auch das geringere Übel".

Auch BZÖ-Europasprecher Ewald Stadler bezeichnete einen Rücktritt von Strasser als "längst überfällig". Stadler: "Seine Ausreden sind mehr als schwindlig und passen maximal in billige Schundromane. Fakt ist, dass Strasser anscheinend offenkundiges Interesse an dubiosen Aufträgen hat, die seine Geldtaschen füllen könnten."

Die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner zeigte sich über das kolportierte Vorgehen von Strasser "höchst verwundert". Dass Strasser "quasi selbst als Lobbyist auftritt und bei anderen ÖVP-Abgeordneten interveniert, ist höchst fragwürdig. Er selbst hat in diesem Bereich keine Kompetenzen und hat das offenbar den Scheinlobbyisten nicht kommuniziert", erklärte Regner. Sie plädierte dafür, dass Lobbyisten, die mit unlauteren Methoden arbeiten, ein Zutrittsverbot zum Europäischen Parlament erhalten.

Strasser rechtfertigt sich

Ernst Strasser will die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen und startet eine Gegenoffensive. Es handle sich bei dabei nicht um Lobbying, sondern um Vernaderungsversuche seiner Person, so der ÖVP-Delegationsleiter in einer Aussendung.

"Ich hatte von Anfang an den Verdacht, dass es sich bei diesen Personen nicht um Mitglieder eines Lobbying-Unternehmens handelt und habe ein österreichisches Corporate Intelligence Unternehmen (CIN Consult Gmbh) beauftragt, das vermeintliche Lobbying-Unternehmen zu durchleuchten", so Strasser. Dass er selbst Partner dieser Agentur ist, verschweigt Strasser aber in der Aussendung.

Er habe weiter Kontakt gehalten, um mehr Details herauszufinden. (APA/red, derStandard.at, 18.3.2011)